Das Arzneimittelunternehmen AB Science prüft derzeit die Wirksamkeit des Medikamentes Masitinib bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen einschließlich der ALS (Studie AB0015). Masitinib gehört zur Gruppe Tyrosinkinasen und ist bisher in der Veterinärmedizin zur Behandlung einer seltenen tiermedizinischen Tumorform (Mastzelltumor) im Einsatz. In der Humanmedizin wird das Medikament für sehr breite Anwendungsbereiche, insbesondere in der Onkologie überprüft und befindet sich in zahlreichen Studien. Für die ALS ist die Substanz von Interesse, da es an den Stützzellen des Gehirns (Glia) Veränderungen vornehmen kann. Auch bei der ALS wurde wiederholt über eine mögliche Beteiligung von Gliazellen am Krankheitsprozess diskutiert.
Die klinische Prüfung bei der ALS beruht auf der Grundannahme, dass die Veränderung von Gliazellen ein therapeutisches Potenzial haben könnte. Derzeit befindet sich Masitinib in verschiedenen europäischen Ländern in einer Phase-2/3-Studie bei der ALS. Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat die Durchführung klinischer Studien in der ALS-Indikation in Deutschland bisher abgelehnt. Aus Perspektive der Arzneimittelbehörden lagen nicht ausreichende Daten zu Masitinib vor, um eine Zulassungsstudie zu rechtfertigen. Dabei ist unbekannt, aus welchen Grund die Bundesoberbehörde (BfArM) zu einer anderen Einschätzung als die Arzneimittelbehörden anderer europäischer Länder kam. Das Arzneimittelunternehmen AB Science hat eine Zwischenanalyse der laufenden Studie (in anderen europäischen Ländern außer Deutschland) durchgeführt. Die (nicht öffentlichen) Ergebnisse werden dem BfArM vorgelegt, um auch in Deutschland die (verzögerte) Durchführung einer klinischen Studie mit Masitinib zu ermöglichen. Die Entscheidung durch das BfArM über die Genehmigung einer Masitinib-Studie in Deutschland steht noch aus.
AB Science hat für Masitinib den Orphan Drug-Status von der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) erhalten. Damit erkennt die EMA an, dass die Prüf- und Zulassungsverfahren von Masitinib bei der ALS mit einer höheren Priorität erfolgen wird. Der Orphan Drug-Status wird für Medikamente zur Behandlung seltener Erkrankungen vergeben, um die Arzneimittelentwicklung bei seltenen und schweren Erkrankungen zu unterstützen. Mit der Vergabe des Orphan Drug-Status ist keine Zulassung des Medikamentes verbunden. Sie macht keine Aussage über eine Vorhandene oder mögliche Wirksamkeit, die unabhängig vom Orphan Drug-Status in klinischen Prüfungen gezeigt werden muss.