Allgemeine Behandlungsgrundsätze
Für die ALS ist bisher keine Heilung möglich. Durch zahlreiche Behandlungsformen können jedoch die Lebenszeit verlängert, Symptome gelindert und die Teilhabe verbessert werden. Eine Erhöhung der Lebenszeit ist durch das Medikament Riluzol, Atemhilfen und Ernährungshilfen möglich.
Infolge der ALS können unterschiedliche belastende Symptome entstehen, die durch geeignete Medikamente deutlich gelindert oder vollständig kontrolliert werden können. Auch eine Physio- und Ergotheraphie sowie eine Logopädie können Symptome mildern und erhaltene motorische Funktionen stärken. Individuelle, moderne Hilfsmittel können Einschränkungen in der Mobilität und Kommunikation abschwächen und die Teilhabe am privaten und sozialen Leben verbessern.
Arzt und Patient stimmen in einem Dialog ab, welche Behandlungsoptionen in der individuellen Situation passend sind. Dieser Abstimmungsprozess aus Arzt- und Patientenperspektive wird als zielorientierte, patientenzentrierte Versorgung bezeichnet.
Dabei stehen drei Fragen im Vordergrund:

Welche spezifische Erkrankungsform liegt vor?
In diesem ersten Schritt geht es darum, die individuelle Betroffenheit und den daraus hervorgehenden Versorgungsbedarf zu klären. Erwogen werden dabei vor allem positive und negative Einflüsse auf den Krankheitsverlauf, die für die Behandlung relevant sind. Hierzu zählen Varianten der Erkrankung, die Geschwindigkeit der Symptomausbreitung und weitere besondere Merkmale.
Welche Behandlungsformen sind machbar und sinnvoll?

Arzt und Patient verständigen sich darüber, welche der verfügbaren Behandlungen vom Patienten aufgenommen werden. Über die Nutzung eines Versorgungsnetzwerkes kann die Behandlung zielgerichtet organisiert und unterstützt werden.
Welche Möglichkeiten bestehen außerhalb der Regelversorgung?
Patientinnen und Patienten, die die Aufnahmekriterien erfüllen, können an klinischen Studien teilnehmen, in denen zum Beispiel Medikamente untersucht werden, die bisher noch nicht zugelassen sind. Auch die Mitwirkung an anderen Projekten der Therapieforschung und Versorgungsforschung kann in Frage kommen.
Ansprechpartner
Ansprechpartnerin Atemhilfen
Ansprechpartnerin Vorsorge
Medikamente
Basismedikation
Zur Behandlung der ALS ist bisher ein Medikament zugelassen, das den Krankheitsverlauf moderat verlangsamen kann. Riluzol ist eine pharmakologische Substanz, die die Konzentration des Botenstoffs Glutamat zwischen motorischen Nervernzellen im Gehirn und Rückenmark reduziert. Es wird vermutet, dass Glutamat bei der ALS in den Synapsen des motorischen Nervensystems in zu hoher Konzentration auftritt (unabhängig von der Nahrungsaufnahme).
Riluzol ist bereits Anfang der 1990er-Jahre von einem französischen Arzneimittelunternehmen entwickelt worden, seitdem in Verwendung und gut verträglich. Nebenwirkungen (Unwohlsein, Übelkeit, Hautveränderungen u.a.) treten nur im Ausnahmefall und dann vor allem am Anfang der Medikation auf. Es wird zwei Mal täglich (morgens und abends) in Tablettenform eingenommen. Eine langsame Aufdosierung unterstützt eine gute Verträglichkeit. Bei Schluckstörungen und Verwendung einer Ernährungssonde steht eine flüssige Darreichungsform (Riluzol-Suspension) zur Verfügung.
In der Zulassungsstudie Anfang der 1990er-Jahre konnte gezeigt werden, dass Riluzol das Überleben bei der ALS verlängert. Der mittlere Lebenszeitgewinn in der Zulassungsstudie betrug 82 Tage, jedoch wurden die Patientinnen und Patienten erst spät im Krankheitsverlauf mit Riluzol behandelt (2,2 Jahre nach Symptombeginn). Die heutige klinische Praxis sieht eine frühere Behandlung vor. Neuere Studien zeigen einen Überlebensvorteil von mindestens 12 Monaten. Vor diesem Hintergrund ist Riluzol als Basismedikation mit einer guten Verträglichkeit zu betrachten.

Symptomlindernde Medikamente
Die symptomlindernden Medikamente wurden nicht speziell für die ALS entwickelt, sondern sind zumeist zur Behandlung anderer Erkrankungen zugelassen. Dennoch haben sich diese Medikamente zur Linderung von Symptomen bewährt.
Überschüssiger Speichelfluss
Wenn das Schlucken beeinträchtigt ist, kann sich verstärkt Speichel im Rachen und Schlundbereich ansammeln (Sialorrhoe). Um den Speichelfluss zu reduzieren, nutzen viele Patienten eines von mehreren bekannten Medikamenten, die als Nebenwirkung Mundtrockenheit hervorrufen:
Pirenzepin (Tablettenform), Amitriptylin (Tabletten- und Tropfenform), Atropin (Tropfenform) oder Scopolamin (Membranpflaster). Zudem kann Botulinumtoxin mit einer feinen Nadel in die Speicheldrüsen gespritzt werden. Die Injektion wird während einer Ultraschalluntersuchung durchgeführt, um das Medikament zielgerichtet in das Drüsengewebe einzubringen.
Unkontrolliertes Lachen oder Weinen
Infolge der ALS kann es zu einem ungewollten Lachen oder Weinen kommen. Ursache des Lachens oder Weines sind enthemmte Bewegungsabläufe (motorische Enthemmung). Gegen diese Enthemmung kommen die Medikamente Citalopram, Amitriptylin, Dextromethorphan/Chinidin zum Einsatz.
Herabgestimmtheit, Angst und Unruhe
Die Diagnose einer ALS kann mit einer erheblichen psychischen Belastung verbunden sein. In der Folge können eine Herabgestimmtheit (depressive Reaktion) sowie Ängste und innerliche Unruhe entstehen. Zur Linderung dieser Beschwerden stehen antidepressive Medikamente (Citalopram, Paroxetin, Mirtazapin) oder angstlösende und sedierende Medikamente (Lorazepam, Diazepam u.a.) zur Verfügung. Die Medikamente verfügen über unterschiedliche Eigenschaften und Wirkspektren, sodass eine individuelle Auswahl des geeigneten Medikamentes im Vordergrund steht.
Schlafstörungen
Im Verlauf der ALS kann es durch psychische Belastungen (Grübeln) oder motorische Einschränkungen (eingeschränkter Schlafkomfort durch Lähmungen) zu Ein- oder Durchschlafstörungen kommen. Zur Behandlung der Schlafstörungen kommen Schlafmedikamente (Hypnotika) in Frage (z. B. Zopiclon), bei Angst oder innerlicher Unruhe auch sedierende Medikamente (z. B. Lorazepam). Bei begleitender depressiver Verstimmung und Grübeln beim Einschlafen ist die Einnahme eines schlafanstoßenden Antidepressivums (z. B. Mirtazapin) denkbar.
Spastik
Bei ca. 30 % der ALS-Betroffenen ist eine schwere Spastik vorhanden – eine ungewollte Muskelanspannung hervorgerufen durch die gestörte Nervensteuerung der Muskulatur. Behandelt wird diese vor allem durch kontinuierliche Physiotherapie und den Einsatz von Hilfsmitteln (z. B. Bewegungstrainer und Orthesen). In bestimmten Situationen ist eine Medikamentenbehandlung mit spastiklösenden Medikamenten (Spasmolytika) sinnvoll. Baclofen und Tizanidin sind die hauptsächlichen Spasmolytika bei der ALS. Bei einer fehlenden Wirksamkeit der Medikamente und Fehlhaltungen infolge der Spastik (Kontrakturen) können Botulinumtoxin-Injektionen in die spastische Muskulatur wirksam sein. Das „Weichmacher“-Medikament wird direkt in die spastische Muskulatur injiziert und ist zwei bis drei Monate wirksam.
Cannabishaltige Arzneimittel
Bei einer hochgradigen Spastik in unterschiedlichen Körperbereichen, die durch Botulinumtoxine oder andere Spasmolytika nicht zugänglich sind, kommt die Verwendung cannabishaltiger Arzneimittel in Frage (Cannabinoide). Durch eine Neuordnung der Gesetzgebung zu cannabishaltigen Arzneimitteln ist die Medikamentengruppe für Menschen mit ALS verfügbar. Dabei ist die Versorgung durch Ärztinnen, Ärzte und Apotheken anzuraten, die mit Cannabinoiden bei der ALS vertraut sind.
Muskelkrämpfe
Krämpfe der Muskulatur (Crampi) können ein belastendes und schmerzhaftes Begleitsymptom der ALS sein. Sie können mit Medikamenten mit unterschiedlichen Wirkprofilen behandelt werden (Chinidin, Mexiletin). Im seltenen Einzelfall kommen auch muskelentspannende Präparate (Muskelrelaxanzien, z. B. Baclofen, Diazepam, Dantrolen) oder auch synthetische cannabishaltige Medikamente (Cannabinoide) in Frage. Die Auswahl hängt vom individuellen Schweregrad, den Behandlungszielen und der Akzeptanz potentieller Nebenwirkungen ab.
Atemanstrengung
Eine geschwächte Atemmuskulatur kann bei der ALS zu einer Atemanstrengung (Dyspnoe) oder einer Verminderung des Hustenstoßes führen. Patienten können zur Unterstützung auf eine Maskenbeatmung (nichtinvasive Beatmung) oder einen Hustenassistenten (mechanischer Insufflator-Exsufflator) zurückgreifen. In bestimmten Situationen ist auch der Einsatz von Medikamenten sinnvoll, die die Schleimbildung in den Bronchien und Speicheldrüsen vermindern (Pirenzepin, Butylscopolamin, Amitriptylin und Atropin).
Um die Atemanstrengung weniger wahrzunehmen, können im Einzelfall und abhängig vom Behandlungsziel auch sedierende Medikamente (z. B. Lorazepam oder Morphine) hilfreich sein. Im Einzelfall kann die Gabe von Morphinen mit einer Medikamentenpumpe durchgeführt werden. Diese Art der Gabe kann auch zu Hause erfolgen und bietet die Möglichkeit, die Medikamentengabe rasch vorzunehmen und individuell anzupassen. Auch bei starker Sekretbildung kann es sinnvoll sein, dämpfende Morphine einzusetzen, um das belastende Gefühl durch Speichel und Schleim in den Atemwegen zu überdecken, wenn diese nicht entfernt werden können. Bei Patienten mit einer schweren Schluckstörung hat sich die Anwendung von Fentanyl als Nasenspray bewährt, da das Medi- kament (ohne Tabletteneinnahme, ohne PEG- Gabe oder Subkutan-Spritze) auch durch Patienten und Angehörige mit einem sehr raschen Wirkungseintritt anwendbar ist.
Schmerzen
Die ALS ist grundsätzlich keine schmerzhafte Erkrankung, da das sensible Nervensystem nicht betroffen ist. Dennoch kann es in Folge der ALS zu Schmerzen kommen. Lähmungen (Paresen) und Muskelschwund (Atrophien) können dazu führen, dass Gelenke, Sehnen und knöcherne Strukturen mechanisch stärker belastet werden und bewegungs- sowie lagerungsabhängige Schmerzen entstehen. Bei der ALS-Behandlung sollen die Schmerzursachen durch Bewegungstherapien (z. B. Physiotherapie) und verbesserte Lagerungstechniken (z. B. Orthesen) reduziert werden.
Wenn auf diesem Wege keine vollständige Schmerzlinderung möglich ist, können gezielt Medikamente eingenommen werden. Begonnen wird mit entzündungshemmenden Medikamenten (Diclofenac, Ibuprofen, Novalminsulfon u. a.). Bei der Schmerztherapie werden Behandlungsziele (Schmerzreduktion) und zu erwartende Nebenwirkungen (Verstopfung und Tagesmüdigkeit bei Opiaten) abgewogen.
Hilfsmittel
Die Hilfsmittelversorgung gehört zu den wichtigsten Maßnahmen, um Menschen mit ALS ein hohes Maß an privater oder sozialer Teilhabe zu ermöglich. Im Verlauf der ALS nehmen motorische Einschränkungen zu und erfordern eine individuelle Unterstützung durch medizintechnische Hilfen. Diese Hilfsmittel erhalten den Aktionsradius der Patienten. Sie stärken bestehende Funktionen (z. B. Bewegungstrainer zur Kräftigung der Arme und Beine), unterstützen die geschwächte Muskulatur (z. B. Fußheberorthese zur Stabilisierung des Fußgelenks) oder gleichen verloren gegangene Muskelfunktionen aus (z. B. Rollstuhlversorgung bei eingeschränkter Steh- und Gehfähigkeit).
Hilfsmittel werden nach den persönlichen Bedürfnissen der Erkrankten sowie ihrer Angehörigen gestaltet – nach dem Grundsatz: So wenig wie möglich, aber so viel wie notwendig. Die Versorgung orientiert sich deshalb am individuellen Krankheitsverlauf. Gemeinsam ein individuelles Konzept der Hilfsmittelversorgung zu erarbeiten, macht einen wesentlichen Schwerpunkt der spezialisierten ALS-Versorgung aus. Dabei sollten Patienten, Angehörige, Ärzte, das Behandlungsteam sowie die versorgenden Sanitätshäuser, Hersteller und Dienstleister einbezogen werden.
Orthesen
Orthesen sind Hilfsmittel, die zur Stabilisierung, Entlastung, Führung oder Korrektur einer Extremität oder des Rumpfes eingesetzt werden. Sie bestehen aus Karbon und anderen Kunststoffen und werden individuell an den Körper des Patienten angepasst und gefertigt. Fußheberorthesen reduzieren eine Fall- oder Spitzfußneigung, die durch eine Schwäche oder Spastik der Fußmuskulatur entstehen kann. Zervikale Orthesen stabilisieren die Kopfposition, wenn eine Schwäche der Kopfhaltemuskulatur die regelrechte Haltung des Kopfes einschränkt. Rumpforthesen haben ebenfalls eine stabilisierende Funktion, falls eine Schwäche der Rumpfmuskulatur besteht und eine aufrechte Körperposition erschwert oder nicht mehr möglich ist. Mit diesen Orthesen kann die Mobilität des Patienten verbessert werden. Lagerungsorthesen verfolgen ein anderes Ziel: Infolge von Muskelschwäche oder Spastik kann es zu Sehnenverkürzungen (Kontrakturen) der Finger-, Hand-, Ellenbogen-, Knie- und Fußgelenke kommen. Lagerungsorthesen bringen die Gelenke in eine korrekte Position, dehnen die verkürzten Sehnen langsam auf oder verhindern ein weiteres Fortschreiten der Kontrakturen. Die Versorgung mit Orthesen wird von Orthopädietechnikmechanikern in Zusammenarbeit mit Neurologen, anderen Ärzten sowie mit Physio- und Ergotherapeuten realisiert.

Transferhilfen
Bei einer hochgradigen Muskelschwäche oder Spastik ist der Positions- und Ortswechsel (Transfer) eines Patienten eingeschränkt oder nicht möglich oder mit hohen körperlichen Belastungen für die Pflegenden verbunden. Für den Transfer aus dem Bett in einen Rollstuhl oder vom Wohn- in den Sanitärbereich stehen sehr unterschiedliche Transfer- und Liftersysteme zur Verfügung (Rutschbretter, Badewannenlifter, mobile Transferlifter, Deckenlifter, Treppenlifter, Rollstuhllifter). Die Planung, Auswahl und Montage wird von Hilfsmittelexperten in Zusammenarbeit mit Neurologen, anderen Ärztinnen und Ärzten sowie mit Physio- und Ergotherapeuten realisiert.

Bewegungstrainer
Bewegungstrainer sind therapeutische Bewegungsgeräte, die speziell für den täglichen Einsatz zuhause konzipiert sind und täglich zum Einsatz kommen können. Sie ermöglichen durch einen integrierten Elektromotor kreisförmige Bewegungen der Arme und der Beine (passive Bewegung). Bei erhaltener Muskelkraft kann ein aktives Bewegungstraining (mit eigener Muskelkraft) der Beine und des Oberkörpers ermöglicht werden. Diese Hilfsmittel sind als Ergänzung zur Physiotherapie zu verstehen, da die Therapieeinheiten der Physio- und Ergotherapie zeitlich begrenzt sind und andere therapeutische Ziele verfolgen. Mit Bewegungstrainern können die erhaltenen Muskelgruppen gestärkt, die Spastik reduziert, die Beweglichkeit der Gelenke erhalten, die Durchblutung gefördert sowie das Thrombose– und Arthroserisiko reduziert werden. Durch die Vermeidung von Kontrakturen, Arthrosen und Lymphödemen können Gelenk-, Kapsel- und Muskelschmerzen reduziert oder verhindert werden.

Rollstühle
In Abhängigkeit der individuellen Bedarfe finden unterschiedliche Rollstuhlgruppen eine Verwendung. Für einen kürzeren Transfer und zur Mitnahme des Rollstuhls im Auto werden Faltrollstühle verwendet. Ein Selbstfahren oder eine längere Lagerung im Faltrollstuhl ist nicht möglich. Für beide Anwendungen – die selbstgesteuerte Mobilität und Lagerung – kommt eine Elektrorollstuhlversorgung in Frage. Elektrorollstühle mit einer Hub-, Liege- und Stehfunktion sind geeignet, um den Körper selbstständig in die gewünschte Körperposition zu bringen, auch wenn eine Muskelschwäche oder Spastik der Beine, des Rumpfes oder der Arme vorliegt. Bei einer Einschränkung manueller Funktionen oder Verlust der Finger- und Handbeweglichkeit kommen verschiedene Sondersteuerungen zur Anwendung. Dazu gehört die eigenständige Steuerung des Rollstuhls und der Körperposition (Hochlagerung der Arme und Beine, Neigeposition des Kopfes und Rumpfes) z.B. durch Kopf-, Kinn- oder Augensteuerung.

Umfeldsteuerung
Bei einer Muskelschwäche oder Spastik der Finger, Hände und Arme ist das eigenständige Greifen und Hantieren erschwert oder nicht mehr möglich. In dieser Situation können indivi- duelle Lösungen der Umfeldsteuerung die Selbstständigkeit im Alltag unterstützen. Durch die Verknüpfung von Sondersteuerung mit bestimmten elektronischen Bauelementen an Alltagsgegenständen kann die Steuerung von Fernsehgeräten, Lichtschaltern, Fenstern, Türen, Lüftungen, Jalousien und anderen Gegenständen und Geräten erreicht werden.
Kommunikationshilfen
Kommunikationshilfen verringern Einschränkungen beim Sprechen, Schreiben und in der Computernutzung, die aufgrund einer Sprechstörung oder Schwäche der Handmuskulatur auftreten. Einfache und nutzerfreundliche Tablet-Computer stehen zur Verfügung, um Worte und Sätze zu schreiben, die von der Kommunikationshilfe laut vorgelesen, angezeigt oder per E-Mail versendet werden können.
Weitere Kommunikationshilfen können mit Mini- malbewegungen der Arme oder Beine oder durch Kopf- und Augenbewegungen gesteuert sowie mit dem persönlichen Computer und dem Internet verbunden werden. Moderne Kommuni- kationshilfen in Verbindung mit Internetnutzung und E-Mail-Kommunikation tragen entscheidend zu einer verbesserten privaten, sozialen und teilweise beruflichen Teilhabe bei. Sie werden durch hochspezialisierte Hilfsmittelexperten in Zusam- menarbeit mit Ergotherapeuten und Neurologen erprobt, angepasst und versorgt.

Ergo- und Physiotherapie, Logopädie
Ergo- und physiotherapeutische sowie logopädische Behandlungen (Heilmitteltherapien) bilden einen zentralen Ansatz, um Einschränkungen durch Muskelschwäche und -anspannung bei der ALS abzumildern.
Die Ergotherapie dient der Stärkung, Aufrechterhaltung oder Kompensation feinmotorischer Leistungen (z. B. Funktionen der Hände), die durch die ALS eingeschränkt werden können. Sie trainiert alltagsrelevante Tätigkeiten im privaten und im Arbeitsumfeld.

Mit einer Physiotherapie (z. B. neurologische Krankengymnastik, Wärmeanwendung oder Massagebehandlung) werden Muskelgruppen aktiviert und die Folgen der ALS-bedingten Kraftminderung reduziert (Sehnenverkür- zungen, Gelenkkapselschmerzen, Arthrosen und Lymphödeme). Die Auswahl der geeigneten Therapieform und der notwendigen Behand- lungsintervalle gehört zu den wichtigsten Entscheidungen bei der ALS-Versorgung.

Unter dem Begriff Logopädie werden sehr unterschiedliche Therapieverfahren für Menschen mit Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen zusammengefasst. Tatsächlich bleiben bei der ALS die Wortfindung und das Sprachverständnis erhalten. Betroffen sind vielmehr die motorischen Funktionen des Sprechens und Schluckens. Eine fortschreitende Schluckstörung tritt zu 70 % im Krankheitsverlauf auf. Daher hat innerhalb der Logopädie das Schlucktraining eine zentrale Bedeutung. Das Training des Schluckaktes, das Erlernen kompensatorischer
Techniken und die bewusste Abstimmung zwischen Schluck- und Atmungstätigkeit sind hauptsächliche Ziele bei der Logopädie.

Alle Verfahren der Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie sind zu Lasten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung verordnungsfähig.
Ernährungshilfen
Mehr als 50 % aller Menschen mit ALS sind von einem unerwünschten Gewichtsverlust betroffen und können durch ihn Lebensqualität und Lebenszeit verlieren. Eine positive Ernährungsbilanz ist daher ein wichtiges Behandlungsziel bei der ALS.
Der Gewichtsverlust entsteht hauptsächlich infolge einer Schluckstörung und der damit verbundenen Mangelernährung. Unabhängig davon kann auch ein erhöhter Energieverbrauch die Ursache sein.
Wenn es zu einer Schluckstörung kommt, kann diese zunächst je nach Schwere und individuellen Bedürfnissen durch eine angepasste Lebensmittelauswahl und Nahrungszubereitung kompensiert werden. Eine spezialisierte Ernährungsberatung hilft Patienten und Angehörigen, die Ernährungsgewohnheiten den neuen Erfordernissen entsprechend zu verändern. Ernährungstherapeuten können außerdem aufgrund ihrer Erfahrungen den Kaloriengehalt der tatsächlich zugeführten Nahrung und den ungedeckten Energiebedarf ermitteln.
Die Grundregel lautet, eine hochkalorische, fettreiche Ernährung zu erreichen. Die Nahrungsumstellung kann durch Trinknahrung ergänzt werden. Dabei handelt es sich um verordnungs- fähige Medizinprodukte, die mit relativ geringen Trinkmengen eine hohe Energiezufuhr ermöglichen (1,5-2 kcal/ml). Passende Produkte und ihre Dosierung werden im Arzt-Patienten-Dialog sowie in einer Ernährungsberatung bestimmt.
Sollte die Nahrungsaufnahme auf natürlichem Weg zu stark beeinträchtigt sein, können Patienten sich für die Anlage einer Ernährungssonde (perkutane endoskopische Gastrostomie, PEG) entscheiden. Die PEG-Anlage ist ein etabliertes und risikoarmes Operationsverfahren nach der „Schlüssellochtechnik“ (Endoskopie).
Durch einen spezialisierten Internisten wird während einer Magenspiegelung eine kleine Öffnung in der Bauchdecke auf Höhe des Magens geschaffen. Wie beim Stechen eines Ohrlochs zum Tragen von Ohrschmuck verheilt diese Wunde anschließend, sodass eine schmerzlose Körperöffnung besteht. In die entstandene Öffnung wird ein Kunststoffschlauch gelegt, durch den Flüssigkeiten und Ernährungslösungen verabreicht werden können. Auf diese Weise kann die ausreichende Energie- und Nährstoffzufuhr sichergestellt werden, selbst wenn eine hochgradige Schluckstörung vorliegt. Wichtig ist, dass auch nach Anlage einer PEG-Sonde die Nahrungsaufnahme durch den Mund unverändert fortgeführt werden kann (sofern motorisch möglich).
Der richtige Zeitpunkt spielt bei der PEG-Anlage eine wichtige Rolle: Patienten sollten nicht so lang warten, bis eine Schwächung des Körpers eingetreten ist und eine eingeschränkte Operationsfähigkeit besteht. Die Entscheidungen rund um eine Ernährungstherapie und über den richtigen Zeitpunkt einer PEG-Anlage ist Teil des vertrauensvollen Gesprächs zwischen Patient, Arzt und Ernährungstherapeut.

Atemhilfen
Bei der ALS kann die Atmung durch unterschiedliche Faktoren beeinträchtigt werden. Der häufigste ist eine Schwäche der Atemmuskulatur (Zwerchfell, Rippenmuskulatur, Bauchmuskeln). Das Ein- und Ausatmen strengt immer mehr an und die Atemleistung reduziert sich (Hypoventilation). Kohlendioxid wird nicht mehr ausreichend ausgeatmet. Die Betroffenen sind abgeschlagen oder fühlen sich müde. Die Atem- schwäche kann auch zu einer verringerten Kraft beim Husten führen. Hierdurch sammelt sich Schleim in den Bronchien an, was als belastend erlebt wird.
Auch eine Schwäche der Zungen- und Schlundmuskulatur kann die Atmung einschränken, wenn durch erschlaffte Muskeln die oberen Atemwege verengt werden oder sich Speichel im Mund, Rachen oder Schlund ansammelt. Die Atemwegsverengung kann als plötzliche und schwerwiegende Atemanstrengung oder „Lufthunger“ erlebt werden.
Die Atemfunktionsstörungen können durch verschiedene Atemhilfen oder Medikamente behandelt werden.
Nichtinvasive Beatmungstherapie
Die Maskenbeatmung ist eine mechanische Atemhilfe, die einen Teil der Atemarbeit übernimmt, die sonst vollständig von den Atemmuskeln verrichtet wird. Mit Hilfe eines Heimbeatmungsgeräts wird über eine Atemmaske Raumluft (kein zusätzlicher Sauerstoff) sanft in die Atemwege gebracht. Die Maskenbeatmung wird während eines kurzen Krankenhausaufenthaltes (5-10 Tage) angepasst und kann zu Hause eigenständig genutzt werden. Es erfolgt kein Eingriff an den Atemwegen (nichtinvasive Beatmung). Mehrere Studien haben gezeigt, dass eine Maskenbeatmung die Lebensqualität und Lebenszeit steigern kann und insbesondere die belastenden Symptome der Kohlendioxidanrei- cherung reduziert.
Die Beatmungsmaske wird auf dem Gesicht und meist im Liegen während des Schlafens getragen, im Einzelfall auch tagsüber. Sie kommt vollständig zur Geltung, wenn die Beatmungszeit mindestens 8 Stunden im Tagesverlauf beträgt. Schreitet die Atemschwäche fort und erlebt der Patient die Maskenbeatmung als positiv für sein Wohlbefinden, kann die Beatmungszeit auch erweitert werden.

Hustenassistent
Ein Hustenassistent (mechanischer Insufflator- Exsufflator) ist ein besonderes Beatmungsgerät, das Luft in zwei Richtungen bewegen kann.
Dem Patienten wird von einem Angehörigen oder Therapeuten eine Maske aufgesetzt, die mit dem Hustenassistenten in Verbindung steht. Das Gerät führt dem Patienten über die Maske Luft zu (entspricht einem tiefen Einatmen), um diese mit einer hohen Geschwindigkeit wieder abzusaugen (entspricht dem Ausatmen). So kann ein „künstliches Husten“ erreicht werden. Wie bei einem Hustenstoß werden die Sekrete der Bronchien mobilisiert und nach außen gebracht. Bei der Mehrheit der Anwender wird dieser Hustenassistent als Entlastung und Erleichterung erlebt.

Invasive Beatmungstherapie
Ist die Atemmuskulatur hochgradig geschwächt, kann die Atem- oder Hustenarbeit nicht vollständig durch die Maskenbeatmung und Hustenassistenz kompensiert werden. Dann besteht die Möglichkeit, die Atemschwäche durch einen Luftröhrenschnitt und eine mechanische Beatmung (invasive Beatmungstherapie) auszugleichen. Auch mit dieser „künstlichen Beatmung“ schreitet die ALS fort und es kann eine vollständige Lähmung des Körpers eintreten.
Die invasive Beatmung ist mit einer 24-Stunden- Behandlungspflege verbunden. Sie ist nötig, um Sekrete, die sich in der Beatmungskanüle anreichern, wiederholt und teilweise akut abzusaugen und so die Beatmung abzusichern.
Diese Beatmungstherapie ist in Pflegeeinrichtungen oder Wohngemeinschaften möglich, die sich auf eine intensivpflegerische Versorgung spezialisiert haben. Bei günstigen Voraussetzungen kann sie auch zu Hause von einem Pflegeteam realisiert werden.
Eine wesentliche Grenze der invasiven Beatmungsversorgung besteht in der Einschränkung der Privat- und Intimsphäre der Patienten und ihrer Angehörigen, da Pflegepersonal kontinuierlich tätig und anwesend ist.
Vor diesem Hintergrund ist eine invasive Beatmung nicht für alle ALS-Patienten eine passende Behandlungsform. Sie wird bei weniger als 10 % der Patienten in Deutschland eingesetzt. Die Entscheidung dafür entsteht in einer bewussten Abwägung ihrer Vorteile und Belastungen.

Verzicht auf nichtinvasive oder invasive Beatmungstherapie
Wenn für Patientinnen und Patienten die Belastungen gegenüber den erzielbaren Vorteilen überwiegen, ist es gerechtfertigt und möglich, auf eine Maskenbeatmung oder einen Luftröhrenschnitt zu verzichten (Zurückhaltung von Beatmungstherapie). In diesem Fall können Medikamente genutzt werden, die die Atemanstrengung oder die Atemwegsverengung lindern (Palliativversorgung).
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
In der Behandlung der ALS bestehen erhebliche individuelle Unterschiede. Einer der wesentlichen Faktoren, der zu einer persönlichen Anpassung des Behandlungskonzeptes führt, ist die unterschiedliche Haltung der Betroffenen zu lebensverlängernden Maßnahmen. In der Akzeptanz oder Ablehnung von lebensverlängernden Maßnahmen entsteht kein „schwarz-weiß-Bild“, sondern eine differenzierte Entscheidungsfindung, die angemessen dokumentiert werden sollte. Zur Erleichterung von Entscheidungsfindung und Dokumentation haben wir das Muster einer Patientenverfügung entwickelt, die auf typische Entscheidungssituationen bei der ALS zugeschnitten ist.
Dazu zählen die Entscheidung über eine Ernährungsversorgung (z. B. mit einer Ernährungssonde), die Atemhilfe (z. B. durch eine Atemmaske oder einen Hustenassistenten) sowie die Lebensverlängerung durch eine „künstliche Beatmung“ (Beatmung über Tracheostoma). Hinzu kommt die Meinungsbildung zu palliativmedizinischen Medikamenten, die einerseits eine Symptomlinderung erreichen, aber zugleich die verbleibende Lebensspanne verkürzen können. Auf Grund dieses „Doppeleffektes“ ist zur Verwendung von palliativmedizinischen Medikamenten (z. B. Morphinen) eine Erhebung des Patientenwillens auf einer Patientenverfügung sinnvoll.
Eine Besonderheit der vorliegenden Muster für eine Patientenverfügung besteht darin, dass nicht nur eine Ja-Nein-Entscheidung von lebensverlängernden Maßnahmen (z. B. PEG) möglich ist, sondern die Zeitpunkte und Umstände festgelegt werden können, in denen bestehende Maßnahmen wieder beendet werden können. Eine typische Patientenverfügung anderer Institutionen bietet meist die Entscheidung zwischen der Annahme und Ablehnung von lebensverlängernden Maßnahmen (z. B. PEG) ab. Unsere vorliegende Patientenverfügung macht ebenfalls eine Annahme oder Ablehnung von Maßnahmen möglich, aber bietet darüber hinaus die Möglichkeit, eine lebenszeitverlängernde Maßnahme (z. B. PEG) anzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt abzulehnen. So werden ALS-typische Konstellationen benannt, die zu einem Abbruch von Behandlungsmaßnahmen führen (z. B. Verlust der Kommunikationsfähigkeit, Beginn einer Demenz oder einer sonstigen schwierigen Gehirnfunktionsstörung. Dieses differenzierte Vorgehen in der Willensbekundung zur Ernährungs- und Beatmungstherapie widerspiegelt das Bedürfnis von mehr als 90% als ALS-Betroffenen, lebenszeitverlängernde Maßnahmen zu nutzen, aber zu einem individuellen Zeitpunkt zu begrenzen oder abzubrechen.
Die Patientenverfügung ist ein Dokument zur Willensbekundung einer Patientin/ eines Patienten, das für die ärztliche Entscheidungsfindung eine wichtige Orientierung darstellt. Die abschließende Entscheidungsfindung und damit verbundene Verantwortung liegt unverändert in ärztlicher Hand. So ist nicht in jedem Fall eine Maximaltherapie (z. B. mit künstlicher Beatmung) ärztlich begründet (z. B. bei ALS mit Demenz). So können Situationen entstehen, dass der Patientenwille aus ärztlicher Perspektive nicht realisiert werden kann. Verbindlich ist jedoch die Patienten-seitige Festlegung von Therapiebegrenzung. So ist die Dokumentation des Patientenwillens von Verzicht oder Abbruch bestimmter Behandlungsmaßnahmen für die ärztliche Entscheidungsfindung verbindlich. Eine Behandlung gegen Patientenwillen soll mit der vorliegenden Verfügung verhindert werden.
Wir empfehlen ihren die Beschäftigung mit der Patientenverfügung und Klärung offener Fragen im Arzt-Patienten-Gespräch. Nach Abschluss (oder Aktualisierung) der Patientenverfügung sind wir für eine Zusendung des Dokumentes dankbar (sofern Sie sich an unserer Ambulanz in Behandlung befinden). Eine Kopie der Patientenverfügung würde Bestandteil der Patientenakte werden. Zusätzlich ist die Ausstellung eines Palliativausweises möglich, auf dem die Therapiebegrenzung dokumentiert ist (Kurzversion der Patientenverfügung in Größe einer Visiten-Karte, die auch in der Brieftasche zu führen ist). Weiterhin empfehlen wir die Bereitstellung des Dokumentes für Ambulanzpartner (sofern sie Teilnehmer des Versorgungsnetzwerkes sind). Damit würde das Dokument digitalisiert und in der elektronischen Versorgungsakte gespeichert werden. In diesem Fall können Sie eine Kopie der Patientenverfügung in unserer Ambulanz hinterlassen und um die Weitersendung an Ambulanzpartner bitten. Alternativ können Sie einen Scan der Patientenverfügung an Ambulanzpartner per Mail zusenden:
Hier finden Sie zwei Dokumentversionen der Patientenverfügung. Eine erste Version ist für den Ausdruck optimiert, sodass Sie handschriftlich Ihre individuellen Daten und Beschlüsse eintragen können. Eine zweite Version ist für die Erstellung am Computer (Interaktives PDF) optimiert. Beide Versionen sollten ausgedruckt und unterschrieben werden. Wenn keine Unterschrift aus motorischen Gründen möglich ist, empfehlen wir die notarielle Beglaubigung.
Patientenverfügung zur Erstellung:
Neben der Patientenverfügung spielt die Vorsorgevollmacht eine zentrale Rolle, wenn Sie andere ermächtigen wollen, Ihre Angelegenheiten vollständig oder teilweise wahrzunehmen, und die Einbestellung eines gesetzlichen Betreuers durch das Betreuungsgericht vermeiden wollen. Mit der Vorsorgevollmacht können Sie differenziert festlegen, welche Vertretungsbefugnisse eine von Ihnen bestimmte Person unter anderem in den Themengebieten Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Aufenthalts- und Wohnangelegenheiten, Post- und Fernmeldeverkehr und Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten erhält.
Vorsorgevollmacht zur Erstellung:
Palliativversorgung
Die Palliativversorgung dient der Linderung und Abschirmung (Palliation) belastender Symptome. Sie zielt auf eine effektive Behandlung sehr unterschiedlicher Beschwerden wie Schmerzen, Unruhe und Atemanstrengung und wird meist mit beruhigenden, entkrampfenden und schmerzlindernden Medikamenten umgesetzt (z. B. mit Medikamenten aus der Gruppe der Benzodiazepine, Cannabinoide und Morphine).
Die Palliativbehandlung ermöglicht es Patienten, dass sie in der letzten Lebensphase wesentliche Erleichterungen erfahren. Eine Verlängerung der Lebenszeit steht dabei nicht im Vordergrund. Eine Palliativversorgung kann gewählt werden, wenn medizintechnische Maßnahmen nicht möglich oder ausgeschöpft sind, als belastend erlebt oder seitens des Patienten aus grundsätzlichen Erwägungen nicht gewünscht werden.
Beispielsweise kann die Maskenbeatmung nicht bei allen Menschen mit ALS eingesetzt werden. Ein Teil der Betroffenen erlebt sie als eine starke Belastung, etwa durch das Fremdkörpergefühl der Atemmaske, sodass sie diese Therapieform für sich ablehnen. Ein anderer Teil möchte auf Grund persönlicher Werte und Schlussfolgerungen nicht beatmet werden und keine lebens- verlängernden Maßnahmen in Anspruch nehmen (Therapiebegrenzung). In dieser Situation können sich Patienten für eine Palliativversorgung entscheiden: Anstelle der Maskenbeatmung stehen Medikamente zur Verfügung, die zur Linderung der Atemanstrengung und anderer belastender Symptome geeignet sind.
Morphine und andere palliative Medikamente können einen „Doppeleffekt“ hervorrufen.
Darunter ist zu verstehen, dass diese Medikamente zu einer Linderung von Symptomen führen, aber zugleich mit einer Verkürzung der verbleibenden Lebensspanne verbunden sein können, wenn die Atemfunktion durch die ALS ohnehin hochgradig eingeschränkt ist. Der beruhigende Effekt des Medikamentes führt dann möglicherweise zu einer weiteren Dämpfung der Atemfunktion, welche die körpereigene Kohlendioxid-Anreicherung verstärkt und den Sterbeprozess beschleunigt, der sich ohne Medikation zu einem etwas späteren Zeitpunkt eingestellt hätte. Vor der Einleitung einer Palliativversorgung ist es daher besonders wichtig, die Behandlungsziele im Arzt-Patienten-Dialog festzulegen und das Bewusstsein und die Akzeptanz für einen möglichen Doppeleffekt beim Patienten und seinen Angehörigen zu prüfen.
Eine Palliativversorgung kann auch von großer Bedeutung sein, wenn Patienten mit bereits bestehenden lebensverlängernden Maßnahmen zu dem Entschluss kommen, diese zu beenden. Wird eine Beatmungstherapie eingestellt, entsteht durch den Entzug vom Beatmungsgerät möglicherweise eine Atemanstrengung und Unruhe. Durch geeignete palliativmedizinische Maßnahmen wie sedierende Medikamente können belastende Symptome von palliativmedi-zinisch spezialisierten Ärzten effektiv behandelt und vollständig verhindert werden.