Eine Publikation in der britischen Fachzeitschrift Human Molecular Genetics berichtet von grundlagenwissenschaftlichen Arbeiten zum Angiogenin-Gen bei der ALS (Hum Mol Gen 2007; Oct 4). Diese Veröffentlichung hat mediale Aufmerksamkeit und Hoffnungen von ALS-Patienten hinsichtlich einer ALS-Therapie generiert. Die Arbeit des Autors Subramanian untersucht die Funktion des Angiogenins, das aufgrund von Mutationen im Angiogenin-Gen bei einer Untergruppe von ALS-Patienten als Risikofaktor der ALS diskutiert wurde. In einem Zellkulturexperiment konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Angiogenin eine natürliche Bedeutung für das Wachstum und Überleben von motorischen Nervenzellen aufweist. Motorische Zellen mit mutierten Angiogenin-Molekülen zeigten ein reduziertes Überleben der motorischen Neurone. Die Autoren schlussfolgern, dass Angiogenin einer von mehreren genetischen Risikofaktoren darstellt, der zu einem Nervenzelluntergang bei der ALS beitragen kann. Einschränkend ist festzustellen, dass die Hypothesen sich bisher ausschließlich auf Experimente außerhalb des menschlichen Körpers (Zellkulturen) beziehen und einer Übertragung der Erkenntnisse auf Krankheitsmechanismen bei Menschen komplex ist. Es handelt sich um eine interessante Hypothese, die einen Teilaspekt möglicher Krankheitsmechanismen bei der ALS berührt und für die Diagnose, Prognose und Therapie gegenwärtiger ALS-Patienten derzeit keine sichere Bedeutung aufweist. Weitere Forschungsvorhaben im Verlauf von mind. 5 Jahren sind erforderlich, um die klinische Bedeutung für ALS-Therapiestrategien zu ermitteln. Eine molekulargenetische Untersuchung des Angiogenin-Gens ist außerhalb von gezielten Forschungsprojekten nicht weiterführend und daher nicht anzustreben.