Der internationale ALS-Kongress findet in 2 Parallelveranstaltungen statt. In einem Schwerpunkt werden Ergebnisse der Grundlagenforschung vorgestellt und diskutiert; in einer Parallelveranstaltung werden Themen der klinischen Forschung (Medikamentenentwicklung, Beatmungs- und Ernährungstherapie etc.) sowie Versorgungsthemen (Hilfsmittelversorgung, psychologische (Unterstützung, Palliativversorgung) vorgestellt und diskutiert. Aus diesem Bereich sind zwei Präsentationen besonders erwähnenswert: Die vorliegenden Daten zur Wirksamkeit der Zwerchfellstimulation (Anmerkung: an der Charité wurden bereits 2008 drei Patienten mit einer Diaphragmastimulation versorgt) zeigen nur geringe Vorteile gegenüber einer historischen Kontrollgruppe. An dieser Stelle liegt auch der Nachteil in der bisherigen Datenlage. Ein Direktvergleich mit einer Placebogruppe liegt bisher nicht vor. Tatsächlich ist in den USA eine multizentrische und placebokontrollierte Studie zur Wirksamkeit der Zwerchfellstimulation in Vorbereitung. Die „Placebokontrolle“ wird durch eine „Scheinstimulation“ erreicht. Studienteilnehmer/-innen erhalten nach diesem Studienprotokoll eine Implantation von Stimulationselektroden am Diaphragma (Zwerchfell), aber die elektrische Stimulation über diese Elektroden erfolgt mit unwirksamen Parametern (Placebogruppe). Eine weitere Gruppe an Teilnehmern und Teilnehmerinnen (die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wird) erhält eine elektrisch-wirksame Stimulation (Behandlungsgruppe) die zu einer Kontraktion des Zwerchfells führt. In der Auswertung wird ein Direktvergleich zwischen der Placebo- und Behandlungsgruppe vorgenommen. Dabei ist bisher unsicher, ob die elektrische Diaphragma-Stimulation tatsächlich mit einem verbessertem klinischen Ergebnis verknüpft ist. Im Fall der positiven Auswertung der Studie erhalten die Patienten der Placebogruppe ebenfalls eine wirksame Elektrostimulation. Im Fall einer studienbasierten Unwirksamkeit wird bei allen Patientinnen und Patienten die Stimulation beendet. Der Zeitrahmen der Studie ist noch nicht abschließend geklärt. Studienergebnisse sind nicht vor 2017 zu erwarten.
Eine zweite Präsentation im Themenbereich der klinischen Forschung und Versorgungsthemen war die Vorstellung einer myoelektrischen Orthese für Patienten mit hochgradigen Armparesen. Ein kleines US-amerikanisches Unternehmen hat Orthesen entwickelt, die elektrisch steuerbar sind und durch einen Sensor der Bizeps- und Trizepsmuskelgruppen gesteuert werden. Die Myoorthese bringt den gelähmten (paretischen) Arm in Beuge- oder Streckposition, indem ein miniaturisierter Elektromotor (der in der Orthese verbaut ist) den Arm in die gewünschte Beuge- oder Streckposition bringt. Der Sensor erfasst die noch vorhandenen Muskelbewegungen der Beugung und Streckung des Patienten (die aber nicht mehr ausreichend sind, um die Extremität zu bewegen) und nutzt sie als Signal, um die Funktion des Elektromotors zu steuern. Damit kann der Patient selbst den Zeitpunkt, das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Orthesenbewegung kontrollieren. Bisher liegen Erfahrungen bei drei ALS-Patienten am ALS-Zentrum in North Carolina unter Leitung von Prof. Benjamin Brooks vor. Die Kosten der Orthese betragen derzeit 30.000 US-D. Mittelfristig planen wir in Berlin eine Beschäftigung mit dem Thema der myoelektrischen Orthesen. Dazu kommt eine Kooperation mit dem amerikanischen Unternehmen oder eine strategische Partnerschaft mit einem deutschen Entwickler in Frage. Informationen über die myoelektrische Orthese finden Sie unter: www.myopro.com.