Die ALS-Funktionsskala (ALS Functional Rating Scale; ALS-FRS) ist eine klinische Skala, um die Erkrankungsschwere und den Verlauf der ALS einzuschätzen. Der ALS-FRS erlangt eine zunehmende Bedeutung, da die Wirksamkeit neuer ALS-Medikamente (neben anderen Kriterien) mit dem ALS-FRS ermittelt wird. So wurde das Medikament Edaravone (Handelsname: Radicut und Radicava) anhand von Studienergebnissen zum ALS-FRS in Japan, den USA und China zugelassen.
In der klinischen Forschung (und in den Zulassungsinstitutionen für Arzneimittel) erlangt das Kriterium motorischer Funktionen (ermittelt durch den ALS-FRS) eine höhere Wichtung – neben ALS-relevanten Messparametern (z.B. Vitalkapazität) und der Lebenszeit (Verlängerung des Überlebens durch Behandlung). Die ALS-FRS-Skala ist ein Fragebogen, der aus 12 Fragen zu ALS-typischen Symptomen und jeweils 5 Antwortoptionen (0-4 Punkte) besteht. Die Fragen können vom Arzt oder vom Patienten gleichermaßen beantwortet werden. Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Erhebung des ALS-FRS durch Ärzte und Patienten eine hohe Übereinstimmung besteht. Der Fragebogen kann mit hoher Übereinstimmung im persönlichen Kontakt, per Telefon und online erhoben werden. Die Möglichkeit der Online-Erhebung des ALS-FRS ist Ausgangspunkt der klinischen Untersuchung „Online-Patientenbewertung des ALS-FRS bei Menschen mit ALS“.
Die Online-Patientenbewertung des ALS-FRS dient der verbesserten und schnelleren Erfassung von Medikamenteneffekten in zukünftigen klinischen Studien sowie der systematischen Erhebung von Behandlungsbedarfen (Etablierung von Behandlungsalgorithmen insbesondere für die Ernährungs- und Beatmungstherapie). Durch die Online-Bewertung gelingt es, den individuellen Krankheitsverlauf zu erfassen und unterschiedliche ALS-Verlaufsformen zu differenzieren. Dabei ist die Unterscheidung verschiedener Verlaufsformen (schneller oder langsamer Verlauf; frühe oder späte Beeinträchtigung der Atemfunktion; frühe oder späte Bulbärsymptomatik; räumliche Begrenzung oder Ausbreitung der Paresen) von entscheidender Bedeutung. Aus zurückliegenden Studien (z.B. zu Edaravone) ist zu schlussfolgern, dass bei der Entwicklung zukünftiger Therapiestrategien die verschiedenen Krankheitsverläufe differenziert werden müssen. So ist davon auszugehen, dass bestimmte Medikamente bei einer Gruppe von ALS-Verläufen eine Wirksamkeit zeigt, aber nicht bei der Gesamtheit aller ALS Patienten anwendbar ist. Aus anderen Bereichen der Medizin (z.B. bei der Behandlung der Multiplen Sklerose oder von Krebserkrankungen) ist dieses Prinzip der differenzierten und personalisierten Medizin etabliert.
Einschlusskriterien
Patienten mit ALS werden eingeladen, an der Online-Patientenbewertung des ALS-FRS teilzunehmen. Dabei sind die folgenden Einschlusskriterien zu berücksichtigen:
- Diagnose einer ALS
- Einwilligung in die Ambulanzpartner-Register-Studie
- Zugang zum Internet
- Betreuung in einem ALS-Zentrum, das an der Ambulanzpartner-Register-Studie teilnimmt
Die Betreuung in einem ALS-Zentrum, das an der Register-Studie teilnimmt, ist notwendig, um die erforderlichen Unterlagen zu erhalten und eine entsprechende Beratung zu erfahren. Die folgenden ALS-Ambulanzen nehmen derzeit als Studienzentren teil: Berlin, Bochum, Bonn, Dresden, Essen (Alfried Krupp Krankenhaus), Göttingen, Greifswald, Halle, Hannover, Jena, Leipzig, Mannheim und Ulm. Weitere Studienzentren sind in Vorbereitung. Weiterhin ist für die Zukunft geplant, Patienten, die Teilnahme an der Online-Bewertung zu ermöglichen, die nicht in einem spezialisierten ALS-Zentrum in Behandlung sind. Dafür sind seitens Ambulanzpartner noch gesonderte formale und technische Voraussetzungen zu schaffen.
Durchführung:
Patienten mit der Diagnose einer ALS, die an der Online-Patientenbewertung teilnehmen möchten, werden gebeten, eine E-Mailadresse anzugeben, über die eine Kontaktaufnahme erfolgen kann. Wenige Tage nach Einwilligung in die Teilnahme erhält der Patient eine Einladung zur Online-Bewertung per E-Mail. In der E-Mail wird ein Link bereitgestellt, der auf das Patientenkonto auf Ambulanzpartner und den (Online)-Fragebogen führt. 12 Fragen (mit jeweils 5 Antwortoptionen) werden untereinander aufgeführt. Die Beantwortung der Fragen benötigt 5 bis 15 Minuten – in Abhängigkeit von den individuellen motorischen Einschränkungen, der „Routine“ im Nutzen des Internets sowie der Vorerfahrungen in der Beantwortung der ALS-FRS-Fragen. Die Ergebnisse der Selbstbewertung sind im Patientenkonto, in der Rubrik „Skalen“ in einer Graphik des ALS-FRS-Verlaufes erkennbar. Dieses Vorgehen wiederholt sich im Abstand von 3 Monaten. In diesem Abstand erhalten Patienten eine E-Mail, in der die Empfänger zu einer Online-Patientenbewertung eingeladen werden. Fragen zum Erhalt der Studienunterlagen (Einwilligungserklärung und Studieninformationen) sind an den Studienarzt (oder die Studienkoordinatoren) in den jeweiligen Studienzentren zu richten. Admintrative Fragen sind an Prof. Dr. Christoph Münch zu richten ([email protected]), der die Fragen selbst bearbeitet oder an andere verantwortliche Mitarbeiter weiterleitet.
Die Veröffentlichung erster Ergebnisse aus der Online-Selbstbewertung ist auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie im September 2019 in Stuttgart sowie auf dem Internationalen ALS-Kongress im Dezember 2019 in Perth (Australien) geplant.