Im Jahr 2001 wurden sehr seltene Fallberichte von AIDS-assoziierter ALS beschrieben. Es handelt sich um wenige ALS-Patienten, die eine HIV-Infektion aufweisen. Die AIDS-Erkrankung zeigte sich bei diesen Patienten ausschließlich durch Symptome der ALS. Die antivirale Behandlung der HIV-Infektion führte bei einem Teil dieser Patienten zu einer Rückläufigkeit der ALS-Symptomatik. Weiterhin zeigen Tierversuche an Mäusen, dass eine Infektion mit spezifischen Retrovirusstämmen zu einer Systemerkrankung mit Motoneuronenuntergang führen kann. Diese Beobachtungen sind Ausgangspunkt für eine Pilotstudie von Dr. Scelsa und Kollegen vom Beth Israel Medical Center in New York, die eine Behandlung von ALS-Patienten mit Indinavir beinhaltet. Indinavir gehört zur Gruppe der Protease-Inhibitoren und ist als Medikament zur Kombinationsbehandlung der HIV-Infektion zugelassen. Die Studie sollte die Verträglichkeit von Indinavir bei ALS-Patienten untersuchen und zugleich mögliche Hinweise auf positive therapeutische Effekte bei der ALS erbringen. Indinavir wurde bei 23 ALS-Patienten eingesetzt und hinsichtlich der Verträglichkeit und Wirksamkeit mit weitern 23 ALS-Patienten verglichen, die eine Placebobehandlung erhielten. Die Behandlungsdauer betrug 9 Monate. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Neurology im Juli 2005 veröffentlicht. Nach Abschluss der Studie zeigte sich eine hohe Rate an Nephrolithiasis (Nierensteine) in der Indanivir-Gruppe im Vergleich zur Placebobehandlung. In der Indanivir-Gruppe erlitten 17 % im genannten Beobachtungszeitraum eine klinisch-relevante Nephrolithiasis. Die Studie umfasste keine ausreichende Patientenanzahl, um eine sichere Aussage zur Wirksamkeit zu treffen. Die bisherigen Daten zeigen jedoch kein Anhalt für einen hochgradigen therapeutischen Effekt, der bereits bei einer geringen Anzahl von 23 Patienten erkennbar ist. Dabei zeigte sich ein statistischer Trend, dass die Indinavir-Gruppe eine höhere Rate der Krankheitsprogression aufwies. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Indinavir bei ALS-Patienten mit einer sehr hohen Komplikationsrate mit Nierensteinbildung assoziiert ist und möglicherweise negative Effekte auf den Krankheitsverlauf bestehen. Diese Studie unterstreicht, dass kontrollierte klinische Studien den wesentliche Weg darstellen, um Hypothesen zur ALS-Therapie zu überprüfen und dabei die Patientensicherheit zu gewährleisten. Eine unkontrollierte Einnahme von Indinavir und anderen antiviralen Medikamenten ist zur Zeit nicht gerechtfertigt.