„However difficult life may seem, there is always you can do and succeed at.”
STEPHEN HAWKING
(Übers. “Wie schwierig das Leben auch erscheinen mag, so gibt es stets Dinge, die vollbracht und erreicht werden können.“)
Stephen Hawking ist am 14. März 2018 im Alter von 76 Jahren verstorben. Der Astrophysiker gehörte zu den bedeutendsten und zugleich populärsten Wissenschaftlern seiner Zeit. Im Jahr 1962, in Hawkings 21. Lebensjahr, erkrankte er an ALS. Seitdem bestimmte das parallele Bestehen von wissenschaftlicher Expertise und ALS-Erkrankung seine gesellschaftliche Wahrnehmung: Das Genie gefangen im eigenen Körper.
Eine Frage, die mir von Patientinnen und Patienten, aber auch von Kollegen wiederholt gestellt wurde, betrifft Hawkings langen Krankheitsverlauf. Ist Stephen Hawking tatsächlich einer ALS erkrankt? Ich selbst hatte keine Gelegenheit, Stephen Hawking persönlich zu untersuchen. Die öffentlichen Informationen, die publizierten Angaben zur Krankheitsgeschichte und das vorhandene Bildmaterial unterstützen die Diagnose einer „juvenilen ALS“.
Unter dieser Bezeichnung ist eine ALS zu verstehen, die vor dem 25. Lebensjahr entsteht. Bei der jugendlichen ALS sind grundsätzlich zwei Verlaufsformen zu unterscheiden: Eine akute Form mit einem raschen Fortschreiten von Lähmungen sowie eine chronische Variante, die durch einen schleichenden über 20 bis 30 Jahre währenden Krankheitsverlauf charakterisiert ist. Stephen Hawking litt an der langsamen Verlaufsform der jugendlichen ALS (chronische juvenile ALS). Sein Krankheitsverlauf währte von 1962 bis 1985, dem Jahr, indem eine künstliche Beatmung über einen Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) erforderlich wurde. Seit 1985, dem Zeitpunkt der künstlichen Beatmung, befand sich Hawking jenseits des natürlichen Krankheitsverlaufes. Durch die Errungenschaften der Beatmungsmedizin konnte das Leben von Stephen Hawking bis zu seinem Tod im Jahr 2018 verlängert werden. Seine populärsten Werke sind nach Einleitung der Beatmungstherapie entstanden. Dazu zählen: Eine Geschichte der Zeit (1985, Original: A Brief History of Time), Einsteins Traum. Expeditionen an der Grenze der Raumzeit (1996, Original: Black Holes and Baby Universes and other Essays), Das Universum in der Nussschale (2001, Original: The Universe in a Nutshell) sowie Die kürzeste Geschichte der Zeit (2005, Original: A Briefer History of Time).
Hawking ist beispielgebend dafür, dass eine „künstliche Beatmung“ bei der ALS eine Lebensverlängerung mit hoher Lebensqualität und Kreativität ermöglichen kann. In der Zwischenzeit hat sich die Beatmungstherapie (auch unabhängig von Ausnahmepersönlichkeiten wie Stephen Hawking) zu einer verfügbaren Versorgungsoption bei der ALS entwickelt. 10 bis 15 Prozent aller ALS-Patienten, die am ALS-Zentrum der Charité in Behandlung sind, erhalten eine Lebensverlängerung durch einen Luftröhrenschnitt und künstliche Beatmung. Die Persönlichkeit von Stephen Hawking und sein öffentliches Wirken als beatmeter Patient bereitete den Weg für eine häusliche Beatmungstherapie. Auch bei der Nutzung von spezialisierten Hilfsmitteln und technologischen Lösungen nahm Hawking eine Pionierrolle ein, die einen starken Einfluss auf die Gesamtversorgung von Menschen mit ALS erhalten sollte. Die Nutzung seines Sprachcomputers für Vorträge und öffentliche Äußerungen brachten die Technologie der unterstützten Kommunikation in das Bewusstsein der breiten Bevölkerung. Durch seine vollständige Lähmung war Hawking auf die Nutzung eines augengesteuerten Kommunikationssystems angewiesen. Mit einer Augensteuerung war er in der Lage, einen Computer zu bedienen, wissenschaftlich zu arbeiten und seine Texte zu verfassen. Im Versorgungsnetzwerk Ambulanzpartner wurden seit 2011 mehr als 500 augengesteuerte Kommunikationssysteme für Menschen mit ALS koordiniert. Daran wird erkennbar, dass eine Technologie, die vormals als futuristisch galt, jetzt ein wichtiger Bestandteil der spezialisierten Versorgung von ALS-Patienten geworden ist.
Stephen Hawking hat trotz seiner Erkrankungsschwere die ALS nicht in den Vordergrund gestellt. Mit seiner persönlichen Haltung, ein erfülltes Leben trotz ALS zu realisieren, hat er zahlreichen Menschen mit ALS Kraft verliehen und als Vorbild gedient. Diese optimistische Haltung im Kampf gegen die ALS werde ich in Erinnerung behalten und – mit meinen Möglichkeiten – weitertragen.
Prof. Dr. Thomas Meyer