
Am 3. & 4. April 2025 fand in Berlin das ALS-Netzwerksymposium statt – ein wichtiges Zusammentreffen von Netzwerken, die sich auf die ALS-Grundlagenforschung, Therapieforschung sowie der Weiterentwicklung der Versorgung von Menschen mit (ALS) konzentrieren. Die wesentlichen Netzwerke sind der „MND-Net“-Forschungsverbund und die Versorgungs- und Forschungsplattform „Ambulanzpartner“. Veranstaltungsort war das Charité Cross Over Forschungsgebäude (CCO) am Campus Mitte der Charité. Insgesamt nahmen mehr als 60 Personen von ALS-Zentren aus ganz Deutschland teil – darunter Neurologinnen und Neurologen, Wissenschaftler und Studienkoordinatorinnen. Das Ziel ist ALS-Netzwerksymposiums – das in diesem Format bereits im dritten Jahr stattfindet – ist der Austausch zwischen Netzwerken, die Bildung neuer Forschungsverbünde sowie die Beförderung von Therapieforschung und neuer Impulse für die patientenzentrierte Versorgung.
Das Symposium startete mit dem Ambulanzpartner-Workshop, moderiert von Thomas Meyer (Berlin). Die thematischen Schwerpunkte lagen auf zentralen Aspekten der Versorgung von ALS-Betroffenen. In strukturierten Inputs diskutierten u. a. Meike Bettina Göricke (Göttingen) und Peter Reilich (München) die Beatmungsversorgung, Johannes Dorst (Ulm) und Patrick Weydt (Bonn) beleuchteten Fragen der Ernährungstherapie, Paul Lingor (München) und Susanne Petri (Hannover) die Heilmittelversorgung. Weitere Beiträge leisteten Ute Weyen (Bochum), Annekathrin Rödiger (Jena), Dagmar Kettemann (Berlin) und Julian Großkreutz (Lübeck), die über die Herausforderung und Lösungsansätze in der Hilfsmittelversorgung sowie neue Entwicklungen in der Medikamentenversorgung, einschließlich des ALS-Apothekenprogramms, die Einführung des E-Rezepts und die zunehmende Rolle von Rezepturen (insbesondere DMC) diskutierten.
Ein besonderes Highlight war die „Ambulanzpartner Lecture“, in der Dr. Richard Smith (La Jolla, USA) unter dem Titel „The DMQ & Tofersen Story“. In diesem Vortrag stand die Entwicklung von zwei Medikamenten im Mittelpunkt: Zunächst beschrieb er den wissenschaftlichen Hintergrund und den Entwicklungsprozess von Dextromethorphan-Chinidin (DMC, im englischen als DMQ bezeichnet), das als symptomatisches Medikament zur Verminderung von unerwünschten Lachen und Weinen („motorische Disinhibtion) sowie bulbärer Symptomatik eingesetzt. Im zweiten Teil seines Vortrages ging es um die Entwicklung die genetische Therapie mit dem Antisense-Oligonukleotid (ASO) Tofersen. Der Beitrag von Richard Smith hatte eine besondere Symbolkraft, weil er persönlich an der pharmakologischen und klinischen Entwicklung beider Medikamente beteiligt war. Für seinen Beitrag bei der Entwicklung von Tofersen wurde er – gemeinsam mit dem gesamten Entwicklerteam – „Healey Center International Prize for Innovation in ALS“ im Jahr 2019 ausgezeichnet wurde.
In der Sprint-Session (einer Folge von kurzen Vorträgen) wurden verschieden Themen rund um die ALS-App von Ambulanzpartner vorgestellt: das papierlose Registrieren (Felix Kolzarek), die bisherigen Erfahrungen mit Versorgungsalgorithmen (Christoph Münch) und die Integration des E-Rezepts in die ALS-App (Susanne Spittel). Aktuelle Studien und internationale Entwicklungen zur selbsterklärenden ALS-Funktionsskala (ALSFRS-R-SE) wurden durch André Maier (Berlin) vorgestellt. Ein weiterer Schwerpunkt im Programm war ein Update zur NfL-ALS-Studie durch Peggy Schumann (Berlin) und die Einführung einer neuen ALS-Phänotypen-Klassifikation (OPM-Klassifikation) durch Torsten Grehl (Essen). Dabei stellte Torsten Grehl die neue Systematik zur Einteilung der ALS-Phänotypen vor, die im Rahmen der NfL-Studie am Ende April 2025 die teilnehmen Zentren eingeführt und wissenschaftlich ausgewertet wird.
Am Nachmittag folgte das MND-Net Meeting mit einem Update laufender Forschungsprojekte mit den folgenden Beiträgen: Paul Lingor (München) zur Biomarkerforschung; Martin Regensburger (Erlangen) über die Weiterentwicklung von NfL-Technologie und Vergleich von verschiedenen Plattformen; David Brenner über eine Studie mit Omaveloxolon bei der ALS (Ulm); Patrick Weydt (Bonn) über Troponin als Biomarker sowie einen Individuellen Heilversuch mit einem ASO-Medikament, Katharina Linse (Dresden) über die Ergebnisse einer umfangreichen Patientenbefragung zu psychosozialen Fragen einschließlich des ärztliche unterstützen Suizids; Christine Herrmann (Ulm) über die Ernährungstherapie-Studie PEGASUS. Weitere Studienupdates lieferten Johannes Dorst (Ulm) über LIPCAL 2, Julian Großkreutz (Lübeck) über das D50-Prädiktionsmodell, Eva Kasper (Rostock) über TDP-43 und TAU-Pathologie bei der ALS, Annekathrin Rödiger (Jena) zu einer Studie von körperlicher Aktivität als Risikofaktor der ALS und Joachim Wolf (Mannheim) über die Analyse von Faszikulationspotentialen bei der ALS. Das Treffen endete mit Wahlen zum Steering Committee sowie einem Update zur erfolgreichen Einführung einer neuen Datenbank des MND-NET.
Der 4. April stand im Zeichen des interdisziplinären Austauschs zwischen beiden Netzwerken sowie der Integration weiter Netzwerk in Deutschland und Europa. In Impulsvorträgen wurden Schnittstellen zwischen Wissenschaft und klinischer Forschung beleuchtet. Patrick Weydt (Bonn) berichtete über seine Initiative und Erfahrung mit einer personalisierten genetischen Therapie. Daraus sich eine wichtige Diskussion zur Weiterentwicklung von individuellen Heilversuchen in Deutschland. Seine positiven Erfahrungen mit dem zuständigen Rechtsabteilung, Ethikkomitees und Landesbehörden sind dabei von entscheidender Bedeutung. Jochen Weishaupt (Ulm) berichtete von der geplanten Intensivierung der deutsch-französischen Kooperation mit einem gemeinsamen Meeting im Oktober 2025 in Paris, Thomas Meyer (Berlin) zur europäischen ALS-App-Initiative von APST Research und Andreas Hermann (Rostock) über die DESCRIBE-Datenbank, die im DZNE organisiert ist. Joachim Schuster (Ulm) stellte die aktuellen Entwicklungen bei klinischen Studien und Maßnahmen zur Stärkung des Studienstandorts Deutschland vor. Julian Großkreutz (Lübeck) sprach zu seinen Aktivitäten zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Sozialrecht in der Versorgung von Menschen mit ALS. In weiteren Diskussionsformaten – unter Leitung von Jochen Weishaupt und Thomas Meyer – wurde eine „Ideenschmiede“ veranstaltet, in der neue Projekte und gemeinsame Perspektiven entwickelt wurden. Die intensive fachliche Kooperation stand dabei im Vordergrund – zur Stärkung der Innovationskraft der deutschen ALS-Forschungsnetzwerke in Gegenwart und Zukunft.
Autor: Thomas Meyer
Links:
- Über das MND-Net: https://mnd-net.de/de/
- Über Ambulanzpartner: https://www.ambulanzpartner.de/#ambulanzpartner
- Über Richard Smith: https://www.massgeneral.org/neurology/als/research/healey-innovation-prize
- Über APST Research: https://apstresearch.com/en/
- Über das DZNE: https://www.dzne.de