
Die ALS-Progression ist ein wesentlicher Prognosefaktor für den individuellen Krankheitsverlauf. Weiterhin wird die Verlangsamung der ALS-Progression in den meisten Therapiestudien als hauptsächliches Kriterium für die Wirksamkeit eines Medikamentes genutzt. Daher ist die Erhebung der ALS-Progressionsrate (ALSPR) für die Prognose sowie für die Durchführung von klinischen Studien von entscheidender Bedeutung. Die ALSPR wird durch die monatliche Veränderung der ALS-Funktionsskala (ALSFRS-R) ermittelt.
In einer aktuellen Studie von ALS-Zentren in Deutschland konnte gezeigt werden, dass die Bestimmung der ALSPR über eine Smartphone-App (mit dem Namen „ALS-App“) mit der „konventionellen“ Erhebung während eines Ambulanzbesuches vergleichbar ist. Dies ist das Ergebnis einer „Nicht-Unterlegenheitsstudie“, in der 398 ALS-Patienten untersucht wurden. Diese Patienten haben die ALSPR über die ALS-App (zu Hause) und außerdem durch professionelles Personal (während einer Ambulanzvisite) ermittelt. Die nachgewiesene Gleichwertigkeit von Selbstbewertungsdaten über die ALS-App (gegenüber Klinikdaten) haben mehrere praktische Implikationen und Vorteile.
Vorteile für klinische Studien:
- Neben den Ambulanzvisiten können ALS-Patienten zu Hause zusätzliche Daten erheben
- Mit den zusätzliche Datenpunkten kann die Datendichte in klinischen Studien erhöht werden
- Die Datenerhebung über die ALS-App ist – im Vergleich zur Erhebung durch professionelles Personal in Kliniken – mit geringeren Kosten verbunden
Vorteile für individuelle Behandlung
- Über die ALS-App werden Patienten in die Lage versetzt, ihre ALS-Progressionsrate selbst zu bestimmen
- Über die ALS-App können Patienten – auch zwischen den recht langen Abständen der Klinikvisiten – zusätzliche Daten zur ALS-Funktionsskala erheben
- Die Daten zur ALS-Funktionsskala (ALSFRS-R) sind so zuverlässig („nicht unterlegen“), dass sie für Versorgungsempfehlungen genutzt werden können
Detaillierte Ergebnisse der Studie
- Patienten mit Nutzung der „ALS-App“ (App-Gruppe) zeigten ein geringeres Alter (60,4 Jahre) als die Patienten mit Erhebung der Daten in der Ambulanzvisiten („Ambulanzgruppe“; 63,7 Jahre).
- Die Krankheitsdauer war bei der App-Gruppe geringer (38,7 Monate) als bei der Ambulanzgruppe (56,7 Monate).
- Die ALS-Progressionsrate (ALSPR) war bei der App-Gruppe höher (ALSPR 0,72) als bei der Ambulanzgruppe (ALSPR 0,59).
- Die Schwankung (Variabilität) zwischen den ALS-PR-Erhebungen (Intrasubjektvariabilität; ISV) war in der „App-Gruppe“ sehr gering (0,17).
- Die Intrasubjektvariabilität (ISV) der ALSPR war in der Ambulanzgruppe etwas geringer (0,129)
- Bei Patienten, die sowohl der App-Gruppe als auch der Ambulanzgruppe angehörten (gepaarte Stichprobenanalyse) zeigten sich keine Unterschiede in den Schwankungen (Intrasubjektvariabilität der ALSPR) zwischen der Erhebung über die ALS-App vom Patienten selbst oder durch Ambulanzpersonal (beide 0,12)
- Die Intrasubjektvariabilität (ISV) der ALSPR bei Verwendung der „ALS-ALS“ (IQR 0,12, Cohen’s d = 0,06) lag unter der statistischen Nichtunterlegenheitsgrenze von 0,15 IQR, was die Nichtunterlegenheit belegt.
- Obwohl statistisch nicht signifikant, zeigte sich bei Patienten mit schnellerer ALS ein Trend zu einer höheren Schwankung in der ALSPR-Erhebung
Referenz
Steinfurth, L. et al. (2025) ‘Self-assessment of amyotrophic lateral sclerosis functional rating scale on the patient’s smartphone proves to be non-inferior to clinic data capture’, Amyotrophic Lateral Sclerosis and Frontotemporal Degeneration, pp. 1–12. doi: 10.1080/21678421.2025.2468404.
Link zur Publikation:
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/21678421.2025.2468404#d1e811
Autor: Thomas Meyer