Im Mai 2025 wurde der erste Patient am ALS-Studienzentrum der Charité in die ANQUR-Studie aufgenommen. Dabei handelt es sich um eine klinische Studie der Phase 1, in der die Verträglichkeit und geeignete Dosierung des Medikamentes QRL-201 untersucht wird. Zusätzlich sollen erste Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit der Substanz ermittelt werden. Neben den klinischen Kriterien (insbesondere ALSFRS-R, SVC, BMI) wird das Ansprechen des Biomarkers Neurofilament (NfL) analysiert. Die Studie wird in placebo-kontrollierter Weise durchgeführt. Das Medikament wird durch eine Lumbalpunktion verabreicht.

Das Medikament verfolgt einen interessanten Wirkmechanismus – die Ablagerungen des Proteins TDP-43. Dieses Proteins ist ein wichtiges Element im Pathomechanismus der ALS, da TDP-43 bei über 90 % aller ALS-Patienten verändert und auf pathologische Weise in der Nervenzelle abgelagert ist. Ablagerungen von TDP-43 verhindern die Bildung von Stathmin-2 (STMN2), das wiederum ein wichtiger Bestandteil im Zytoskelett von Motoneuronen und für die Lebensfähigkeit von motorischen Nervenzellen von entscheidender Bedeutung ist.

Über die QRL-201-Phase 1-Studie
Das US-Biotechunternehmen QurAlis hat eine placebo-kontrollierte Studie der Phase 1b gestartet, in der das Medikament QRL-201 untersucht wird. In dieser Phase wird zunächst die Sicherheit und geeignete Dosierung von QRL-201 überprüft. Eine Ermittlung der Wirksamkeit ist in dieser frühen Phase der Medikamentenentwicklung kein primäres Studienziel. QRL-201 ist ein Antisense-Oligonukleotid (ASO) – ein genetisches Medikament, das auf Ebene der Boten-RNA (mRNA) die Produktion des Eiweißes Stathmin-2 (STMN2) erhöht. STMN2 ist und wird durch die ALS-bedingte Ablagerung von TDP-43 gehemmt. Das ASO QRL-201 soll dafür sorgen, dass die negativen Effekte von TDP-43 kompensiert und die Bildung von STMN2 wieder gesteigert wird. Mit diesem Wirkmechanismus soll der Verlust von motorischen Nervenzellen aufgehalten werden.
Über das Antisense-Oligonukleotid (ASO) QRL-201
Antisense-Oligonukleotide (ASO), sind eine Gruppe innovativer Medikamente, die darauf abzielen, genetische Informationen im Körper des Patienten zu modifizieren. In der konkreten Anwendung von QRL-201 soll die Boten-RNA von Stathmin-2 (STMN2) „geschützt“ werden, die von fehlerhaftem TDP-43-Protein „angegriffen“ und gehemmt wird. Die gestörte Herstellung des Eiweißes STMN2 kann mit Hilfe eines ASO „korrigiert“ werden, so dass die ursprüngliche Funktion von STMN2 wiederhergestellt wird. ASO werden bei der Behandlung von Menschen in regelmäßigen Abständen mittels Lumbalpunktion in das „Nervenwasser“ (Liquor cerebrospinalis) appliziert. Das ASO QRL-201 wurde von Biotechnologieunternehmen QurAlis (Cambridge, USA) entwickelt.
Die Studie wird vom US-Biotech-Unternehmen QURALIS initiiert und an verschiedenen Studienzentren in Canada und Europa, einschließlich an der ALS-Ambulanz der Charité in Berlin, in Ulm und Lübeck sowie anderen ausgewählten ALS-Zentren in Deutschland durchgeführt.
Autor: Prof. Dr. Thomas Meyer