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Am 31. August 2022 wurde ein wichtiges und emotionales Interview im Podcast der Stiftung n-Lorem auf YouTube publiziert. Im Gespräch sind Dr. Stanley T. Crooke (Gründer des US-amerikanischen Biotech-Unternehmens Ionis Pharmaceuticals), Prof Dr. Neil A. Shneider (Leiter des ALS-Zentrums der Columbia School of Medicine in New York) und Sonja Kämpfer (Mutter von Anna Kämpfer, die an FUS-ALS erkrankt ist und mit Jacifusen behandelt wird). In dem Interview berichtet Sonja Kämpfer von der Erkrankung ihrer Tochter Anna an FUS-ALS und vom komplizierten und steinigen Weg zur Diagnose und schließlich zur Therapie mit dem genetischen Medikament „Jacifusen“. Trotz der zahlreichen (medizinischen und bürokratischen) Hürden und Rückschläge, die auf dem Weg zur Therapie vorhanden waren, schildert Sonja Kämpfer eine sehr positive und hoffnungsvolle Entwicklung der ALS-Therapieforschung. So berichtet sie von der Stabilisierung im Krankheitsverlauf und schließlich von der Rückläufigkeit von bestimmten motorischen Funktionseinschränkungen nach mehreren Monaten der Jacifusen-Therapie. Dieser Bericht ist – neben der menschlichen Dimension – die erstmalige Beschreibung einer effektiven ALS-Therapie, die zu einer Verminderung der Progression und Verbesserung von Symptomen führt und damit von elementarer Bedeutung ist für den medizinischen Fortschritt auf dem Gebiet der ALS. Diesen Podcast möchte ich unbedingt empfehlen.
Link zum Podcast auf YouTube:
https://youtu.be/obAUSZt4Yd8
Über FUS-ALS:
FUS-ALS ist eine spezifische Form der ALS, die durch Mutationen im FUS-Gen verursacht wird und etwa 1 % aller Menschen mit ALS betrifft. Die aktuellen Ergebnisse der Studie Id-ALS (https://www.ambulanzpartner.de/studie-id-als/) bestätigen diese vermutete Häufigkeit (1,1 % in der untersuchten Gruppe von mehr als 800 Menschen mit ALS).
Über Jacifusen:
Es handelt sich um den inoffiziellen Namen des Medikamentes ION363, das ein Antisense-Medikament darstellt. Der Name wurde zu Ehren von Jaci Hermstad vergeben – der ersten Patientin, die im Rahmen des Forschungsprogramms mit dem Medikament behandelt wurde. ION363 befindet sich in klinischen Studien und Forschungsprogrammen in den USA und ausgewählten Ländern in Europa (UK, Belgien, Niederlande und in der Schweiz). Das Medikament ist gegen Mutationen im FUS-Gen gerichtet, die eine Degeneration der Motoneuronen durch einen toxischen Funktionsgewinnmechanismus (Gain-of-Function-Mutation) verursachen. Als Gain-of-Function-Mutation bezeichnet man in der Genetik eine Genmutation, die zur Verstärkung der Genaktivität oder einer neuen Funktion des Gens führt. Bei Patienten wird das mutierte FUS-Protein in Motoneuronen angehäuft (Aggregation). Die Antisense-vermittelte Reduzierung soll die toxischen („giftigen“) Auswirkungen des mutierten FUS-Proteins abschwächen und damit den Verlust von Motoneuronen vermindern. Die Hypothese ist, dass die Reduktion des FUS-Proteins das Fortschreiten der Krankheit bei FUS-ALS-Patienten umkehren oder reduzieren kann. Jacifusen ist im aktuellen Stand der Forschung auf die Behandlung der FUS-ALS im Rahmen von klinischen Studien und besonderen Behandlungsprogrammen begrenzt. Eine Zulassung des Medikamentes liegt bisher nicht vor. Eine Anwendung dieses Medikamentes bei Patienten ohne Mutationen im FUS-Gen ist nicht möglich.
Autor: Prof. Dr. Thomas Meyer
English version below :
FUS-ALS drug „Jacifusen“: Stanley Crooke, Neil Shneider & Sonja Kämpfer speak on the n-Lorem Foundation podcast
On August 31, 2022, an important and emotional interview was published on the n-Lorem Foundation podcast on YouTube. In the conversation are Dr. Stanley T. Crooke (founder of the US biotech company Ionis), Prof Dr. Neil A. Shneider (head of the ALS Center at Columbia School of Medicine in New York) and Sonja Kämpfer (mother of Anna Kämpfer, who has FUS-ALS and is treated with Jacifusen). In the interview, Sonja Kämpfer talks about her daughter Anna’s illness with FUS-ALS, the complicated and rocky road to diagnosis and finally therapy with the genetic drug „Jacifusen“. Despite the numerous (medical and bureaucratic) hurdles and setbacks on the way to therapy, Sonja Kämpfer describes a very positive and hopeful development of ALS therapy research. Thus, she reports the stabilization in the course of the disease and finally the regression of certain limitations of motor functions after several months of Jacifusen therapy. This report is – besides the human dimension – the first description of an effective ALS therapy leading to a reduction of progression and improvement of symptoms and thus of elementary importance for medical progress in the field of ALS. I would highly recommend this podcast.
Link to podcast on YouTube:
https://youtu.be/obAUSZt4Yd8
About FUS-ALS:
FUS-ALS is a specific form of ALS caused by mutations in the FUS gene and affects about 1% of all people with ALS. The current results of the Id-ALS study (https://www.ambulanzpartner.de/studie-id-als/) confirm this presumed frequency (1.1% in the studied group of more than 800 people with ALS).
About Jacifusen:
It is the unofficial name of the drug ION363, which is an antisense drug. The name was given in honor of Jaci Hermstad – the first patient treated with the drug in the research program. ION363 is in clinical trials and research programs in the US and selected countries in Europe (UK, Belgium, Netherlands and Switzerland). The drug targets mutations in the FUS gene that cause motor neuron degeneration through a toxic gain-of-function mechanism. In patients, the mutant FUS protein aggregates in motor neurons. Antisense-mediated reduction is thought to attenuate the toxic effects of the mutant FUS protein, thereby reducing motor neuron loss. The hypothesis is that reduction of FUS protein may reverse or reduce disease progression in FUS-ALS patients. Jacifusen is limited in the current state of research on the treatment of FUS-ALS in clinical trials and special treatment programs. The drug has not yet received regulatory approval. An application of this drug in patients without mutations in the FUS gene is not possible.
Author: Prof. Dr. Thomas Meyer