Durch die Kooperation von europäischen und amerikanischen Arbeitsgruppen ist es gelungen, ein neues ALS-Gen zu identifizieren, das für eine Gruppe der familiären ALS-Patienten ursächlich ist. Es handelt sich um das ALS6-Gen, das zuvor unter dem Namen FUS (fused in sarcoma) bekannt war. Nach den bisherigen Erkenntnissen sind Mutationen im ALS6-Gen bei 4% der familiären ALS nachweisbar, jedoch hat die Identifizierung dieses Gens weiterreichende Konsequenzen und ist als Meilenstein der ALS-Forschung zu betrachten. Nach der Identifizierung des SOD1- (1993) und TDP-43-Gens (2006) wurde jetzt ein drittes ALS-assoziiertes Gen nachgewiesen, das vergleichende Untersuchungen zwischen den bisher bekannten ALS-Genen gestattet. Dabei ist von Interesse, welche Gemeinsamkeiten zwischen der SOD1, dem TDP-43 und dem FUS bestehen. Falls übereinstimmende Mechanismen der Zellschädigung festzustellen sind, lassen sich diese Prinzipien auf die häufige nicht-erbliche ALS übertragen.
Auf dieser Grundlage und mit der Schaffung entsprechender Tiermodelle können Therapiestrategien entwickelt werden, die gemeinsame Motive der motorischen Nervenzellschädigung beeinflussen. Das ALS6 (FUS)-Protein zeigte elementare Funktionen innerhalb der motorischen Nervenzelle, da es bestimmte genetische Botenstoffe (Messenger RNA [engl.], Boten-RNS [dt.]) reguliert und die Synthese von zahlreichen Proteinen steuert. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass Mutationen im ALS6-Gen zu einer pathologischen Ablagerung der FUS-Proteine innerhalb der motorischen Nervenzelle führt. Hier bestehen interessante Parallelen zur SOD1- und TDP-43-assoziierten ALS, die ebenfalls durch abnorme Proteinablagerungen innerhalb des Motoneurons charakterisiert sind.
Die Identifizierung des ALS6-Gens war wissenschaftlich, logistisch und finanziell sehr aufwendig und hat eine intensive Forschung über 6 Jahre durch zahlreiche Wissenschaftler am King´s College in London sowie dem Massachusetts General Hospital (Boston, USA) und verschiedene kooperierenden Institute erfordert.
Der Nachweis von ALS6-Mutationen bei Familien mit einer erblichen Form der ALS wurde in zwei separaten Veröffentlichungen der neurogenetischen Forscher, Tom Kwiatkowski aus Boston (//www.sciencemag.org/cgi/content/full/323/5918/1205) und Caroline Vance aus London (//www.sciencemag.org/cgi/content/full/323/5918/1208) im Wissenschaftsmagazin Science publiziert.