Das internationale ALS-Symposium ist der bedeutendste ALS-Kongress – zum Austausch über aktuelle Forschungsergebnisse und der ALS-Behandlung. Vom 4. bis 8. Dezember 2024 fand das 35. ALS-Symposium in Montreal (Canada) statt.
Das ALS-Zentrum der Charité und die Forschungsgruppe von Ambulanzpartner waren stark vertreten – mit 3 Vorträgen vor großem Publikum und 5 wissenschaftlichen Postern zu den Themen „ALS App Europe Initiative“ (Thomas Meyer), pharmakologische Therapie der Sprech- und Schluckstörung mit DMC (Susanne Spittel), Selbstbewertung der ALS-Funktionsskala über die ALS App (André Maier), genetische Screening von SOD1 und Transition zur Tofersen-Therapie (Peggy Schumann), Behandlungserfahrung mit Tofersen (Thomas Meyer), THC-CBD in der symptomatischen Therapie der ALS (Susanne Spittel) sowie eine Analyse der Ernährungs- und Beatmungstherapie bei der ALS (Senthil Subramanian).
Der Kongress durch die folgenden Themenschwerpunkte bestimmt – selbstverständlich können nur Auszüge aus dem mehrtägigen Programm skizziert werden:
Genetik sowie präsymptomatische und frühe Diagnose
Am Beispiel der SOD1 wurde das Konzept von präventiven Studien bei ALS dargestellt. Im Mittelpunkt stand die ATLAS-Studie (S. Fradette, USA). Mit einer neuen, genetischen Methode gelingt der Nachweis entfernter Verwandtschaft zwischen ALS-Patienten und damit die Entdeckung neuer pathogener Gene (D van Oosten, Niederlande). Ein weiterer Themen Schwerpunkt war die DNA, unabhängig von den klassischen Genen. Größere Aufmerksamkeit erhielt jetzt das Schneiden und korrekte zusammenfügen (splicing) von Boten-RNA sowie Spleißvarianten bei der ALS (X. Tang, China). Bei den genetischen Themen ließ sich auch ein Vortrag zum genetischen Screening Programm in Deutschland ein ordnen: SOD1-Genscreening bei ALS: Häufigkeit von Mutationen, Einstellung der Patienten zu genetischen Informationen und Umsetzung in Tofersen-Behandlung in einem multizentrischen Programm (T. Meyer, Deutschland).
Klinische Studien
Die wichtigsten Ergebnisse der ADORE-Studie wurden mit dem Titel „Eine internationale Phase-3-Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von täglich oralem Edaravon (FNP122) bei ALS“ zusammengefasst. Die Studie zeigte keine positiven Ergebnisse für Edaravone (L Van den Berg, Niederlande). Eine zweite Studie der Phase 2a mit dem Namen „PrimeC“ zeigt Sicherheitsheitsdaten und erste Wirksamkeitsdaten nach einer 12-monatigen Behandlungphase (M. Cudkowicz, USA). PrimeC ist die Kombination aus dem Antibiotikum (Ciprofloxacin) and sowie dem entzündungshemmenden Medikament Celecoxib. Beide Substanzen sind grundsätzlich verfügbar, aber in dieser Kombination noch nicht getestet worden. Anmerkung: In den zurückliegenden Jahrzehnten wurden zahlreiche Studien mit positiven Ergebnissen in einer Phase zwei abgeschlossen, die sich dann in der Phase 3 nicht bestätigt haben. Vor diesem Hintergrund ist von einer Medikation abzuraten. Eine Studie der Phase 3 aus Japan mit dem Vitaminpräparat Methylcobalamin konnte positive Ergebnisse berichten. Die Studie trägt den Titel: „Langfristige Sicherheit und Wirksamkeit von ultrahochdosiertem Methylcobalamin bei ALS im Frühstadium: JETALS-Zwischenanalyse und offene Langzeitstudie“ (R Kaji, Japan. Die Ergebnisse wurden mit Interesse, aber zugleich einer gewissen Zurückhaltung aufgenommen, da die Ergebnisse durch Studien in den USA und Europa reproduziert werden müssen. Anmerkung: dazu folgt eine gesonderte News auf dieser Webseite.
Experimentelle Medizin und Studiendesign
Ein neuartiges Studienkonzept mit dem Namen Plattform-Studien wurde vorgestellt, das an der Harvard Medical School getestet wird. Dabei werden mehrere Studien parallel unter Nutzung einer gemeinsamen Placebo Gruppe durchgeführt. Dieses Studienkonzept dient einer schnelleren Durchführung und einer effektiven Nutzung von Placebo. Der Vortrag hatte den Titel: „Evaluierung und Optimierung des Studiendesigns einer ALS-Plattform: Einblicke in zukünftige Richtungen“ (L Chibnik, USA. Weiterer Fortschritt bei klinischen Studien ist die Nutzung von künstlicher Intelligenz zu erwarten. Eine Wissenschaftlerin des Unternehmens Unlearn.Ai hat ein Konzept digitaler Zwinger auf Basis von KI vorgestellt. Dieser Vortrag ist besondere Relevanz, da das Berliner Unternehmen APST Research, mit dem US-Unternehmen Unlearn.Ai bei der systematischen Datenbereitstellung zusammenarbeitet, um die KI-Modelle zu „trainieren“ (zu verbessern). Der Vortrag trägt den Titel: „Steigerung der Leistungsfähigkeit klinischer Studien bei ALS mit KI-generierten digitalen Zwillingen“ (C. Kusiak, USA). Eine weitere Innovation im Studien Design wurde aus der Niederlanden vorgestellt: Patientenpräferenzen in klinischen ALS-Studien: Die Patienten-Rangfolge der präferierten Zielfunktionen der Therapie (PROOF), (R van Eijk, Niederlande).
Antisense- und siRNA-Therapie
Über das Grundprinzip der Antisense-Therapie sowie die aktuellen Entwicklungen dieser Form der Genetische Therapie hielt Frank Bennett einen Überblicksvortrag. Er ist mit Begründer des amerikanischen Biotech-Unternehmens IONIS: „Antisense-basierte Therapien für seltene neurologische Krankheiten“ (F. Bennett, USA). Auch ein anderer Pionier der genetischen Therapie, Neil Shneider, stellte seine aktuellen Konzepte vor: „Aktuelles zu Silence ALS: Eine Plattform für die Entdeckung und Entwicklung von Antisense-Therapeutika für Patienten mit extrem seltenen Formen von ALS“ (N. Shneider, USA). UNC13A ist ein möglicher genetischer Faktor bei der ALS, der therapeutisch angegangen wird und in einem gesonderten Vortrag dargestellt wurde: „Entwicklung eines kryptischen UNC13A-Exon-Skipping-Antisense-Oligonukleotids zur Behandlung von ALS“ (M van der Brug, USA).
Biomarker
Biomarker sind Moleküle im menschlichen Körper, die Hinweise auf die Aktivität, der ALS oder des ansprechen von Therapie vermitteln können. Der wichtigste Biomarker ist Neurofilament, der auch auf diesem Symposium eine große Rolle gespielt hat. Neben NfL wurden weitere Biomarker berichtet und diskutiert. Ein wichtiger Vortrag aus Deutschland betraf den Biomarker Troponin: „Kombination von Serum-Neurofilament Light und Serum-Herz-Troponin T verbessert die diagnostische Genauigkeit bei ALS“ (P. Weydt, Deutschland). Auch ein Biomarker, der bei Alzheimer-Erkrankung eine wesentliche Rolle spielt, wurde bei der ALS untersucht: „Gesamt-Tau und phosphorylierter Tau-Spiegel als diagnostische Biomarker für ALS“ (T Petrozziello, USA) sowie „Nachweis und Entdeckung von Urin-Biomarkern für Immundysfunktion bei der ALS (V. Karnaros, Australien). Auf das Protein Alpha-Synuklein, dass ein wesentliches Molekül bei der Parkinsonerkrankung darstellt, scheint bei der ALS schädliche Ablagerungen zu zeigen. Damit wird eine mögliche Brücke zwischen der Parkinson-Erkrankung und ALS hergestellt: „Seed-Amplifikationstests: Fenster zu ALS und verwandten Krankheiten“ (R. Smith, USA).
Klinisches Management
Neben den grundlagenwissenschaftlichen Themen und den klinischen Studien handelt Meeressessions von einer Optimierung von ALS-Therapie mit bereits bestehenden Medikamenten und Medizintechnik. Zwei Vorträge kamen aus Deutschland: „Dextromethorphan/Chinidin (DMQ) bei der Behandlung von bulbären Symptomen bei ALS: Von Patienten berichtete Ergebnisse einer multizentrischen Studie (S Spittel, Deutschland). sowie „Selbsteinschätzung der ALS-Funktionsbewertungsskala auf dem Smartphone des Patienten erweist sich als nicht schlechter als die Erfassung von Klinikdaten (A. Maier, Deutschland). Weitere Beiträge betragen die Beatmungstherapie: „Optimierung der nicht-invasiven Beatmung bei ALS“ (D. McKim, Kanada) und „Überwachung des Fortschreitens der Hypoventilation zur Bestimmung des Zeitpunkts für den Einsatz von Atemunterstützung bei Patienten mit ALS“ (P. Cazzolli, USA).
Kognition
Auch die kognitiven Einschränkungen und die Wesensänderung bei der ALS erlangen eine zunehmende Aufmerksamkeit: „Vorhersage des kognitiven und verhaltensbezogenen Abbaus bei ALS-Patienten: eine prospektive Pilotstudie“ (A Chio, Italien) und „Prodromale leichte kognitive Beeinträchtigung bei ALS und FTD“ (C. McHutchison, UK).
Link zum Programm des ALS-Symposiums mit Übersicht der Vorträge und Poster: https://symposium.mndassociation.org
The International ALS Symposium is the most important ALS congress for exchanging the latest research results and ALS treatments (https://symposium.mndassociation.org). The 35th ALS Symposium took place in Montreal, Canada from December 4 to 8, 2024. The ALS Center of the Charité and the research group of APST Research were strongly represented with three lectures in front of a large audience and five scientific posters the topics ALS App Europe Initiative, self-assessment of the ALS Functional Scale via the ALS App, pharmacological therapy of dysarthria and dysphagia with DMQ, genetic screening of SOD1 and transition to Tofersen therapy, treatment experience with Tofersen, THC-CBD in the symptomatic therapy of ALS as well as an analysis of nutrition and ventilation therapy of ALS (time to events).