Neurofilament light chain (NF-L) bei der ALS: wichtiger Biomarker und zukünftiger Therapiemarker für neue Medikamente und Therapieformen. Durch Förderung der Boris Canessa ALS Stiftung wird ein Forschungsprogramm zum Biomarker Neurofilament Light Chain (NF-L) an ALS-Zentren in Deutschland ermöglicht. Die Stiftung mit Sitz in Düsseldorf wurde 2019 gegründet und hat das ALS-Zentrum an der Charité mit dem Projektmanagement des NF-L-Forschungsprogramms beauftragt. Durch eine Finanzierung der Stiftung wurde die Beschaffung eines SIMOA-Gerätes (Single Molecule Analysis) und die Testung von NF-L-Blutproben von 1.500 ALS-Patienten in den nächsten 3 Jahren ermöglicht. Das SIMOA-Gerät HD-X des Biotechnologieunternehmens Quanterix Inc. (https://www.quanterix.com) wurde in den Räumen der ALS-Ambulanz an der Charité installiert. Derzeit wird eine Logistik entwickelt, um eine Übersendung von Blut-Proben aus verschiedenen ALS-Zentren in Deutschland und die NF-L-Testung mit HD-X zu realisieren. Die Testergebnisse werden den ALS-Zentren zur Verfügung gestellt und den teilnehmenden ALS-Patienten mitgeteilt. Perspektivisch ist die Integration der NF-L-Daten in die „ALS App“ vorgesehen (//als-charite.de/die-als-app-ist-da-die-erste-mobile-anwendung-in-deutschland-und-europa-fuer-die-erfassung-der-als-funktionsskala-als-frs/).
Grundprinzip des Biomarkers Neurofilament Light Chain (NF-L):
NF-L ist ein Strukturprotein in Nervenfortsätzen (Axone), das bei einer Schädigung neuronaler Zellen ins Hirngewebe, in den Liquor (Nervenwasser) sowie – in geringsten Mengen – ins Blut gelangt. Mit der SIMOA-Methode können einzelne Moleküle im Blut nachgewiesen und die Konzentration der NF-L Moleküle quantifiziert werden. Das NF-L-Forschungsprogramm beruht auf der Erkenntnis, dass bei ALS-Patienten eine erhöhte Konzentration des Moleküls NF-L im Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis) und im Blutserum vorliegt. Trotz dieser grundsätzlichen Erkenntnis sind zahlreiche Forschungsfragen ungeklärt. Dabei ist die Korrelation der NF-L-Serumkonzentration zum Krankheitsverlauf („Progression“) sowie zu bestimmten Verlaufsformen der ALS (insbesondere bei unterschiedlicher Betroffenheit des ersten und zweiten motorischen Neurons) noch unzureichend untersucht. Eine weitere zentrale Forschungsfrage ist die Eignung von NF-L für die rasche Identifikation der therapeutischen Wirksamkeit von Medikamenten und anderen Behandlungsverfahren. Bei einer entsprechenden Eignung könnte NF-L neben der Funktion eines Diagnose- und Progressionsmarkers auch die Rolle eines Therapiemarkers einnehmen. Die offene Frage für eine mögliche Nutzbarkeit von NF-L als Therapiemarker erhält eine besondere Bedeutung, da sich verschiedene innovative Medikamente in Entwicklung befinden, deren therapeutisches Potential durch NF-L schneller als in bisherigen Studienmethoden nachgewiesen werden soll. Grundsätzlich ist vorstellbar, dass das therapeutische Potential aller Studienmedikamente durch NF-L- Testung analysiert wird.
Zur Erklärung offener Forschungsfragen zum Biomarker und zur Weiterentwicklung von NF-L zum Therapiemarker bei der ALS ist eine systematische Analyse der NF-L-Konzentration in einer umfassenden Patientengruppe mit der SIMOA-Methode erforderlich. Das Vorhaben wird von August 2020 bis Ende 2022 durchgeführt. Die NF-L-Blut-Testung wird zunächst an der ALS-Ambulanz der Charité eingeführt. Im nächsten Schritt wird die ALS-Ambulanz am Alfried Krupp Krankenhaus in Essen teilnehmen, um die Logistik die Bioprobenversendung und des Datenaustausches zu etablieren. Im Weiteren ist die Teilnahme der folgenden ALS-Zentren vorgesehen: Universitätsklinikum Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum, Universitätsklinikum Bonn, Technische Universität Dresden, Universitätsmedizin Göttingen, Medizinische Hochschule Hannover, Universitätsklinikum Jena, Universitätsklinikum Leipzig, Technische Universität München und Universitätsklinikum Ulm. In weiteren Schritten ist die Einbeziehung weiterer ALS-Zentren (Mannheim, Kiel, Altscherbitz und Halle/Saale) geplant, aber noch nicht finalisiert. Das Vorhaben hat – aufgrund der hohen Anzahl der teilnehmenden Studienzentren sowie der Langfristigkeit und Systematik – eine hohe wissenschaftliche Relevanz, auch im internationalen Maßstab. Weiterhin werden durch das NF-L-Forschungsprogramm weitere Forschungsprojekte, insbesondere zur Grundlagenforschung und zur genetischen Therapieforschung befördert. Dabei ist die Vernetzung mit Therapiestudien neuer Medikamente insbesondere zu genetischen Therapieverfahren vorgesehen.
Die genannten ALS-Zentren werden durch die Boris Canessa ALS Stiftung zur Durchführung des NF-L Projektes unterstützt, so dass die Testung für alle Patienten, die an einem NF-L-Forschungsprogramm teilnehmen, kostenlos möglich ist. Nach Start des Programms werden die teilnehmenden ALS-Zentren die in Behandlung befindlichen ALS-Patienten persönlich ansprechen, um ihnen die Teilnahme am NF-L-Forschungsprogramm anzubieten.
Autor: Thomas Meyer