Die Pandemie mit dem COVID-19-Virus stellt die Gesundheitsversorgung in Deutschland, an der Charité und auch an der ALS-Ambulanz der Charité vor große Herausforderungen. Bei der weiteren Behandlung von Menschen mit ALS sind die nationalen Richtlinien, die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes (RKI) sowie die Durchführungsbestimmungen der Charité zu berücksichtigen. Aus infektiologischen Gründen sind Menschenbewegungen und soziale Kontakte zu reduzieren. Zugleich ist die medizinische Versorgung von Menschen – unter den erschwerten Bedingungen des Infektionsschutzes – sicherzustellen.
Die ALS ist eine fortschreitende Erkrankung, bei der es im Verlauf von wenigen Monaten und Wochen zur Notwendigkeit einer Ernährungs- und Beatmungstherapie kommen kann. Weiterhin sind 20 Prozent aller ALS-Patienten mit einer nicht-invasiven Beatmung (Maskenbeatmung) versorgt. Weitere 25 Prozent aller Patienten erhalten eine Ernährungstherapie über eine PEG. Aufgrund des fortschreitenden Charakters der ALS ist eine medizinische Verlaufskontrolle notwendig, die der Bedarfsprüfung und möglichen Einleitung einer Beatmungs- und Ernährungstherapie sowie der Kontrolle (Monitoring) einer bereits bestehenden Therapie dient. Vor diesem Hintergrund ist die weitere Behandlung von Menschen mit ALS grundsätzlich anzustreben, aber in Bezug auf die infektiologischen Risiken im Einzelfall abzuwägen. Patienten mit einer verminderten Atemkapazität haben ein erhöhtes Risiko, im Fall einer COVID-19-Infektion einen besonders schweren Krankheitsverlauf zu erfahren. Zugleich benötigen Patienten mit einer verminderten Atemkapazität eine spezialärztliche Kontrolle, um eine zeitgerechte und angemessene Beatmungsversorgung zu erhalten. Eine vergleichbare Situation liegt bei der Ernährungstherapie vor: Patienten mit einer Mangelernährung unterliegen erhöhten Risiken im Fall einer COVID-19-Infektion. Gleichzeitig ist eine spezialisierte Versorgung bei einer ALS-bedingten Mangelernährung von besonderer Bedeutung. Insgesamt stehen die infektiologischen Risiken, die sich aus der Pandemie mit COVID-19 ergeben, den Risiken einer verzögerten oder unzureichenden ALS-Behandlung (insbesondere der Beatmungs- und Ernährungstherapie) gegenüber.
Aufgrund der spezifischen Besonderheiten und Erfordernisse in der ALS-Therapie wurden für Patienten an der ALS-Ambulanz der Charité besondere Maßnahmen getroffen. Alle Patienten (oder autorisierte Angehörige) erhalten vor dem geplanten Ambulanztermin einen Telefonanruf, um Informationen über den aktuellen Krankheitszustand, wichtige Symptome, die Erkrankungsdynamik und erkennbare Versorgungsbedarfe zu erfassen. Zugleich werden die Umstände des Transportes und die damit verbundenen sozialen Kontakte ermittelt. Im Ergebnis der telefonischen Erfassung wird eine Empfehlung für einen Vorort-Termin in der ALS-Ambulanz ausgesprochen oder alternativ ein Video- und/oder Telefontermin festgelegt. Bei der Entscheidung zur Wahrnehmung (oder Verschiebung) des Ambulanztermins wird die Haltung des Patienten und sozialen Umfeldes berücksichtigt (Shared Decision Making; „geteilte Entscheidungsfindung“).
Im Fall einer Verschiebung der Visite in der ALS-Ambulanz wird (zum Zeitpunkt des ursprünglichen Ambulanztermins) eine Video- und/oder Telefonvisite durchgeführt. Damit soll eine telemedizinische ärztliche Erhebung des Krankheitsverlaufes und der Symptome erreicht werden. Die Erfassung der Symptome, des Krankheitsverlaufes und möglicher Behandlungsbedarfe wird durch die Erhebung der ALS-Funktionsskala (ALS Functional Rating Scale, ALS-FRS) unterstützt. Die Erfassung kann per Telefon (während der telefonischen Visite) oder online (bereits im Vorfeld der telefonischen Visite) erfolgen. Auf Basis der ermittelten Informationen werden die Behandlungsmaßnahmen entschieden und veranlasst. Grundsätzlich ist mit Einwilligung des Patienten auch eine Videotelefonvisite per „Skype“ oder „Whats-App“ und „Facetime“ oder andere Formen der Videotelefonie möglich. Die Ergebnisse und ärztlichen Beschlüsse der Telefonvisite werden in einem regulären Arztbrief dokumentiert und per Post an den überweisenden Haus- und Facharzt sowie an den Patienten versendet.
Die Option einer Telefonvisite ist als außerordentliche Maßnahme zu verstehen, die sich aus der COVID-19-Pandemie ergibt. Nach Beendigung der Infektionsschutzmaßnahmen streben wir eine unmittelbare Wiederherstellung der ambulanten Versorgungsstrukturen an. Bei der Bewältigung der organisatorischen Arbeiten zur Ermöglichung von Telefonvisiten und der späteren Wiederherstellung von Präsenzvisiten, bitten wir Sie um ihre Unterstützung. Insbesondere die Aktualisierung von Kontaktdaten, die Bereitstellung von Mobiltelefonnummern und von E-Mail-Adressen sind dabei eine wertvolle Hilfe. Eine Aktualisierung der Daten ist (unter dem Aspekt des Datenschutzes) auf dem Postweg, durch einen Anruf (mit Anrufbeantworter) oder – falls eine entsprechende Registrierung vorliegt – über das Ambulanzpartner-Versorgungsportal möglich. Für mögliche Rückfragen stehen wir Ihnen telefonisch (030-450560028) oder per E-Mail ([email protected]) zur Verfügung.
Autor: Thomas Meyer