Das Medikament Edaravone wurde als Infusion im Jahr 2017 in den USA und weiteren Ländern der Welt zur Behandlung der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) zugelassen. Grundlage der Zulassung war eine Therapiestudie aus Japan, die – für eine spezifische Untergruppe von ALS-Patienten – eine Verlangsamung der Progression (um etwa 30 %) nach 6 Monaten der Edaravone-Therapie zeigte. Die Untergruppe zeichneten sich durch ein frühes Krankheitsstadium und geringe funktionelle Einschränkungen aus. Bei Menschen mit ALS, die diese Merkmale nicht aufwiesen, konnte bisher keine Wirksamkeit von Edaravone belegt werden.
Mit der Zulassung von Edaravone zur Behandlung der ALS in anderen Ländern konnte das Medikament per Einzelimport auch in Deutschland verfügbar gemacht werden. Die Behandlungserfahrung von 194 Patienten, die im Mittel über 11 Monate behandelt wurden, wurden ausgewertet und in der US-amerikanischen Fachzeitschrift „ Jama Neurology“ publiziert. In dieser Beobachtungsstudie wurden die Daten aus 12 ALS-Zentren in Deutschland zum Erkrankungsverlauf, zur Sicherheit und zur Patientenzufriedenheit zusammengefasst.
In einem aufwendigen statistischen Verfahren konnte kein positiver Effekt von Edaravone auf den Erkrankungsverlauf (anhand der ALS-Funktionsskala) oder auf die Lebenszeit gezeigt werden. Hinsichtlich der Verträglichkeit und Sicherheit des Medikamentes zeigte sich neben den bekannten und erwarteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (wie allergischen Reaktionen und Blutdruckabfall) wiederholte lokale Infektionen oder Thrombosen, die durch die sehr häufigen Infusionen entsprechend dem Behandlungsschema bedingt waren.
Mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens wurde die Therapieerfahrung strukturiert erfasst (TSQM-9-Score). Dabei zeigte sich eine insgesamt hohe Therapiezufriedenheit – außer bei Patienten, die die Behandlung nicht von sich aus abbrachen.
Für den fehlenden Nachweis eines Therapieeffekts kann es mehrere Gründe geben. Die deutsche Studie war keine Placebo-kontrollierte klinische Studie und ist daher methodisch nicht ausreichend, um die Frage der Wirksamkeit sicher zu klären. Weiterhin waren die Einschlusskriterien der plazebo-kontrollierten Studie in Japan und der Beobachtungsstudie in Deutschland nicht identisch.
Eine weiterentwickelte Form von Edaravone (zur oralen Anwendung) wird aktuell in den USA, Europa, und auch im ALS-Zentrum der Charité, in einer neuen Therapiestudie (MT1186-A02) untersucht (//als-charite.de/aktuelle-studien/).
Link zur Studie: https://jamanetwork.com/journals/jamaneurology/fullarticle/2787473
Autor: Dr.med. André Maier