Am 20. März 2017 hat das französische Arzneimittelunternehmen AB Science mit Sitz in Paris eine Pressemitteilung herausgegeben, in der positive Studienergebnisse von Masitinib bei der ALS bekannt gegeben wurden.
Die Pressemitteilung bezieht sich auf die Studie „AB10015“, an der 394 ALS-Patienten teilgenommen haben. Dabei wurden drei Patientengruppen verglichen, die über 48 Wochen die folgende Behandlung erhielten: Masitinib (4,5 mg/kg/Tag) plus Riluzol oder Masitinib (3 mg/kg/Tag) plus Riluzol oder Placebo plus Riluzol. Das hauptsächliche Kriterium zur Bewertung der Behandlungswirksamkeit („Studienendpunkt“) war eine Krankheitsverlangsamung anhand der ALS-Funktionsskala (ALS-FRSr).
In der Pressemitteilung konnte AB Science bekanntgeben, dass beide Masitinib-Behandlungsgruppen eine statistisch-signifikante Verzögerung der Krankheitsprogression im Vergleich zur Placebo-Behandlung erbracht haben. Die höhere Dosis von Masitinib (4,5 mg/kg/Tag) war wirksamer als die geringere Dosis (3 mg/kg/Tag).
Masitinib ist ein Medikament in der Gruppe der Protein-Kinase-Inhibitoren (PKI), das bisher als Tierarzneimittel bei einer sehr spezifischen Tumorform bei Hunden (Mastzelltumoren) zugelassen ist. In der Humanmedizin befindet sich Masitinib in der klinischen Prüfung bei verschiedenen Tumorerkrankungen (Pankreas-Karzinom, Multiples Myelom, malignes Melanom). Die klinische Prüfung bei der ALS erfolgte mit der Hypothese, dass mit diesem Medikament eine Hemmung von Mikrogliazellen bei der ALS erreicht werden kann. Mikrogliazellen sind Immunzellen im Gehirn und Rückenmark, die möglicherweise eine Bedeutung im ALS-Krankheitsmechanismus aufweisen.
Die Mitteilung von AB Science ist eine sehr positive Nachricht auf dem Weg zur Entwicklung neuer Behandlungsoptionen bei der ALS. Mit diesem Studienergebnis (AB10015) ist davon auszugehen, dass AB Science die geplante Nachfolgestudie (AB14008) mit Masitinib bei der ALS in der 2. Jahreshälfte 2017 starten wird.
Es gilt als weniger wahrscheinlich, dass AB Science für das Medikament ein gesetzlich mögliches Härtefall-Programm (Compasionat Use Programm) nutzen kann. Bei einer Bereitstellung eines Medikamentes im Härtefall-Programm wird die weitere Durchführung Placebo-kontrollierter Studien deutlich erschwert, da die Bereitschaft von Betroffenen, an einer Placebo-kontrollierten Studie teilzunehmen, abnimmt, wenn parallel die Prüfsubstanz verfügbar ist.
Trotz der positiven Studienergebnisse der ersten Studie (Studie AB10015) bestehen noch weiterhin offene Fragen und Unsicherheiten, die in einer Nachfolgestudie geklärt werden müssen. Die Hauptlimitation der abgeschlossenen Studie liegt in der begrenzten Durchführung in wenigen (vor allem spanischen) Studienzentren. Eine klinische Studie gilt erst dann für eine Zulassung geeignet, wenn sie Patientengruppen einschließt, die in der Geschlechter- und Altersverteilung, dem ALS-Schweregrad sowie der Verteilung von ALS-Verlaufsformen und Behandlungsorten (Studienzentren) repräsentativ sind und deren Ergebnisse sich in verschiedenen Studienzentren reproduzieren lassen.
Aufgrund der Beschränkung der Studie AB10015 auf wenige Studienzentren ist anzunehmen, dass die geplante Nachfolgestudie (AB14008) trotz der positiven Studienergebnisse noch durchgeführt werden muss. Die abschließende Entscheidung wird in einer Abstimmung zwischen AB Science sowie der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) sowie der Bundesbehörde (BfArM) entstehen. An der Charité (sowie anderen ALS-Zentren in Deutschland) werden bereits die Vorbereitungen auf die Nachfolgestudie AB14008 getroffen.